Der Dokumentarfilm »Die Wüste lebt« von James Algar aus dem Jahr 1953 machte erstmals weltweit ein breites Publikum auf die faszinierenden Lebensformen, die Anpassungsleistungen von Organismen und auf das Wesen von Wüsten aufmerksam. Seither dokumentieren zahlreiche Naturfilmer die vielfältige Lebensrealität der heiß-trockenen sowie kalten Wüsten und gehen den Überlebensstrategien der Tierwelt in dem prekären Lebensraum vertieft nach. So müssen sich die Tiere in den Eis- und Kältewüsten einer ganzen Vielzahl an Herausforderungen stellen: Dem lichtvollen, vergleichsweise milden Polarsommer steht die winterliche Polarnacht mit eisigen Temperaturen, monatelanger Finsternis, Schneestürmen und Hunger gegenüber. Die meist heißen Trockenwüsten verlangen hingegen den Umgang mit hohen Tagestemperaturen der Luft von bis zu 50 Grad (am Boden gar bis 70 Grad) Celsius – bei direkter Sonneneinstrahlung und zum Teil heftiger nächtlicher Auskühlung auf wenige Grade über null, oft aber bis in den Minusbereich. Zudem herrscht eine Dauerbelastung durch die sehr niedrige Luftfeuchte, die starke Austrocknung durch Wind und durch unzureichende Deckung.
ÜBERLEBENSSTRATEGIEN BEI HITZE UND KÄLTE
Pflanzen sind verwurzelt – Tiere sind beweglich, sie können fliehen. So zeigt sich in Verhaltensveränderungen, wie beispielsweise dem Standortwechsel von Tieren, eine von drei evolutionären Strategien zur Adaptation an den schwierigen Lebensraum Wüste. Die genetisch erworbene Physiologie oder aber die spezifisch ausgebildete Physis, die Körperform und -größe, sind weitere Anpassungsleistungen der Natur. Am Beispiel von Wüstenfuchs und Polarfuchs lässt sich dies aufzeigen.
Der Wüstenfuchs oder Fennek (Vulpes zerda) ist der kleinste unter den Wildhunden: Er lebt bevorzugt in den Sandmeeren der Sahara und gilt als Prototyp evolutionärer Anpassung an heißtrockene Klimabedingungen. Die Tageshitze meidet er in seinem Bau, den er in stabilem Dünensand anlegt. Der Fennek ist zwar nachts und in der Dämmerung aktiv, dennoch ist er von seinem Körperbau her perfekt auf Wärmeregulierung ausgerichtet. Das Sommerfell hat etwas kürzere Haare als der Winterpelz. Der Wüstenfuchs hat auffallend große Ohren, in denen, wie auch in den behaarten Fußsohlen, sich bei starker Hitze die Blutgefäße erweitern und so ein Kühleffekt erzeugt wird. Er ist ein Allesfresser (Kleinsäuger, Reptilien, Insekten einschließlich Früchten und Knollen) und nutzt sein feines Gehör zur Ortung von im Sand verborgenen Kleintieren. Der Fennek gewinnt Feuchtigkeit unmittelbar aus der Nahrung, ist also nicht auf direkte Wasseraufnahme angewiesen. Seine Nieren können selbst hoch konzentrierten Urin bei nur geringem Wasserverbrauch filtern.
Gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Fennek zeigen auch andere Wildhunde. Die amerikanischen Kojoten ebenso wie die südafrikanischen Schakale, die namibischen Löffelhunde oder die Andenschakale sind mit ihrem ähnlichen Körperbau, dem aufrechten, hochbeinigen Lauf und vergleichbarem Nahrungsspektrum ideal für ein Leben in den Wüsten gerüstet.
Polarfüchse (Vulpes lagopus) sind ebenfalls Allesfresser. Mit ausgezeichnetem Geruchssinn suchen sie neben den wenigen Kleinsäugern Vogelgelege und Aas. Für das Kaltklima sind sie bestens ausgestattet: Entsprechend der Allen’schen Proportionsregel sind sie gedrungen gebaut, haben eine kurze Schnauze, sehr kleine Ohren und ein wärmendes Fell mit dichter Unterwolle. Dieses wechselt von einer sommerlichen braunen Tarnfarbe in einen weißen bis bläulichen Winterpelz. Polarfüchse sind die am besten gegen Wärmeverlust isolierten Säuger und können Temperaturen bis minus 80 Grad Celsius trotzen. Auch bei sehr tiefen Temperaturen erhöht sich ihre Stoffwechselrate nicht. Mit einer herbstlichen Fetteinlagerung von bis zu 50 Gewichtsprozent steigern sie die Kälteisolation und die Energiereserve. In der Winterruhe werden die Stoffwechselrate und die Körpertemperatur abgesenkt, wodurch der Bedarf an Nahrung stark verringert wird.
TROCKENWÜSTEN
KLEINSÄUGER UND WIRBELLOSE
Die Mehrzahl der Wüstentiere ist klein und lebt zeitweise unter der Oberfläche – verborgen im Sand oder Kies, in Gesteinsklüften oder unter Steinen. Trotz der Unauffälligkeit vieler Tiere ist deren Artenzahl und Biodiversität höher als die der Pflanzen. Besonders die Nager, Reptilien und die artenreichen Wirbellosen sind in unserem Zusammenhang von Interesse. Dabei sind die Grundmuster trotz der oft recht unterschiedlichen Wüstenlandschaften sehr ähnlich und vergleichbar. Kleine Tiere entwickeln mehr Verhaltens- als körperliche Veränderungen, wobei die Eigenschaften des lockeren Untergrunds oder die Strukturen von Felsen und Gesteinen ausgenutzt werden. Sie zeigen Fluchtverhalten, indem sie sich kurzfristig verkriechen, wie beispielsweise die dauernd auf- und abtauchenden Schwarzkäfer oder die Aporosaura-Echse in den Dünen der Namib. Auf der Suche nach Insekten schwimmt der blinde Goldmaulwurf förmlich durch den losen Sand und meidet stets dessen heiße Oberfläche. Auf schuttbedeckten, erhitzten Flächen flüchten sich die Reptilien, Käfer und Spinnentiere in den Schatten von Steinen oder in Löcher, obwohl bei Gliederfüßern häufig der Chitinpanzer zum Schutz mit Wachs überzogen ist oder bei Schlangen und Echsen ein Schuppenpanzer zusätzlich Feuchtigkeitsverluste mindert. Einige Käferarten haben kleine Körper und halten mit ihren hochstelzigen Beinen Abstand zur heißen Bodenoberfläche; andere stellen sich auf sehr helle Steine – solches Verhalten hält den Körper immerhin etwa zehn Grad Celsius kühler. Manche Ameisen oder Walzenspinnen klettern auf Grasbüschel. Mehrere Vipern-Arten bewegen sich seitlich schlängelnd und minimieren damit den Kontakt zur heißen Oberfläche. Die Hornviper lauert, nahezu vollständig in den Dünensand eingerüttelt, auf ihre Beute.
Kleinsäuger wie Mäuse, Erdhörnchen oder Mangusten sind die erfolgreichsten Siedler der Wüsten. Sie wühlen Gänge in den temperierten Untergrund. In ihren Höhlen entgehen die Tiere der Hitze, der trockenen Luft und der intensiven Lichteinwirkung am Tag. Manche Spezies, wie Erdferkel oder Stachelschweine, haben zudem ihre Aktivitäten ausschließlich in die Nachtzeit verlegt und reduzieren so ihren Wasserverlust.
Zwar verringern das Fell oder die Federn von Wirbeltieren die Transpiration, reduzieren damit den Wasserverbrauch und dämpfen so die Körpertemperatur. Aber durch spezifisches Verhalten sorgen beispielsweise beim Laufvogel Strauß aufgestellte Federn gezielt für Windkühlung, während sie im angelegten Zustand vor der nächtlichen Kälte schützen. Erdmännchen nutzen ihren buschigen, hellen Schwanz während der Nahrungssuche als Schattenspender für den Rücken und drehen den vorderen Körperteil möglichst von der Sonne weg. Das Wüstenchamäleon setzt seine Farbwechselmöglichkeiten ein und färbt sich bei Hitze hell und sehr dunkel, wenn es kühl wird.
Einige Kleinsäuger haben die Verminderung des Wasserverlusts beim Stoffwechsel so weit gesteigert, dass sie in Wüsten überleben, ohne trinken zu müssen. Sie decken den gesamten Wasserbedarf durch den metabolischen Abbau der Samen, die sie fressen. Manche reduzieren den Wassergehalt von Ausscheidungen auf ein Minimum; zum Teil wird sogar Harnsäure in trockenem Zustand abgesondert.
Interessant ist, dass ein beträchtlicher Teil der Wirbellosen und kleinen Säugetiere nicht direkt von örtlich gewachsenen, vitalen oder abgestorbenen Pflanzen, sondern von trockenem, ortsfremdem, organischem Material (Detritus) lebt, das auch aus größerer Entfernung von den Wüstenrändern oder Steppen angeweht werden kann. Davon ernähren sich vor allem die dauerhaft in der Wüste lebenden, zahlreichen Gliederfüßer (Insekten, Spinnen, Skorpione, Tausendfüßer, Krebstiere). Detritus spielt in allen Wüsten eine entscheidende Rolle in der Nahrungskette. Er setzt sich aus kleinen Fragmenten von Pflanzenteilen, Samen, Aas und Kot zusammen, die an begünstigten Stellen, wie im Windschatten von Dünen oder Gesteinsblöcken, abgelagert werden können.
Evolutionsgeschichtlich besonders bemerkenswert sind weltweite Übereinstimmungen im Verhalten bei Kleinsäugern, die zweibeinig unterwegs sind wie die Wüstenspringmäuse. Ihre gemeinsamen Merkmale sind: känguruartig springende Fortbewegung, Ernährung von Körnern (Granivorie), das Horten von Samen, die Beschränkung auf Nachtaktivität oder die Anlage von Erdbauten. Solche Entsprechungen sind vor allem dort zu finden, wo Tiere wegen ihrer eingeschränkten Beweglichkeit der Hitze und Trockenheit nicht ausweichen können. Die Ähnlichkeit in der Adaptation ergibt sich aus der Zweckmäßigkeit.
Bereits vor Jahrzehnten wurden in Küstenwüsten wichtige Untersuchungen zur Bedeutung des Nebels für Wüstentiere durchgeführt. In der namibischen Wüsten-Forschungsstation Gobabeb galt das primäre Interesse der Schwarzkäfer-Fauna und ihrer Anpassung an das Sandwüstenmilieu. Der tagaktive Tenebrio-Käfer (Onymacris unguicularis) ist für seine frühmorgendliche Wassergewinnung berühmt geworden: Er stellt sich bei Nebel kopfüber mit dem Rücken zur Windrichtung. Die kondensierende Feuchtigkeit rinnt daran herab und sammelt sich als Tropfen unmittelbar vor seinen Fresswerkzeugen. An einem einzigen Nebelmorgen können die Käfer etwa 40 Prozent ihres eigenen Körpergewichts an Wasser aufnehmen. Die Käfergattung Lepidochora zieht bei Nebel eigens kleine Gräben durch den Dünensand. An deren höheren Rändern schlägt sich bevorzugt Feuchtigkeit nieder, die von den Käfern leicht aufgenommen werden kann. Weiter landeinwärts nutzt die Käferfauna die Tauniederschläge zu ihrer Flüssigkeitsversorgung. Auch die seltenen Säugetiere profitieren von dieser Art des Niederschlags, indem sie nebelnasses (verdorrtes) Gras, benetzte Ästchen oder nassen Detritus fressen.
GROSS-SÄUGETIERE
Mangels Futterressourcen fehlen größere Säugetiere, wie Antilopen, in den extremen Wüsten. In Vollwüsten, wie der Namib oder der Rub al-Khali, treten sie einzeln, allenfalls in kleinen Gruppen auf. Ihr eigentlicher Lebensraum sind angrenzende Savannen und Steppen. Nur nach außergewöhnlichen Niederschlägen mit verbreitetem Wuchs ephemerer Pflanzen ziehen vorübergehend kleinere Herden zum Äsen in die Wüste.
Großsäuger sowie manche Vogelarten entfliehen der Zeit der größten Hitze und Dürre. Ihre Mobilität erlaubt nicht nur die zeitnahe Nutzung von auseinanderliegenden Futter- und Wasserstellen durch tägliche oder mehrtägige, sondern auch weite jahreszeitliche Wanderungen. Ihr Umgang mit dem in den Wüsten sehr begrenzten Nahrungspotenzial ist somit unterschiedlich einzustufen. Als besonderes Beispiel gelten hierfür die vermeintlich an die Namib angepassten »Wüstenelefanten«: Diese ziehen zwar bisweilen durch die Wüste und gleiten medienwirksam die Dünenhänge herunter, ihr Raufutter finden sie allerdings im Buschwerk und Galeriewald der zum Atlantik orientierten Fremdlingsflüsse. Das nötige Wasser ergraben sie in den Trockenflussbetten oder ziehen zu den in den Dünen versteckten Grundwasserseen. Eine Adaptation an die extremen Wüsten in Verhalten, Physiologie oder von Körper und Größe im engeren Sinne existiert also nicht.
Es gibt jedoch Säugetierarten, die tatsächlich komplexe Anpassungsstrategien an hohe Temperaturen und Wassermangel entwickelt haben. So ist der Erfolg des Kamels als Wüstentier (und Nutztier) auf die Toleranz gegenüber der Überhitzung (Hyperthermie) und Dehydrierung zurückzuführen: Es kann einen Wasserverlust von 120 Litern ertragen, was 40 Prozent seines Körpergewichts entspricht. Der Wassergehalt des Blutplasmas bleibt dabei relativ konstant. Die Toleranz des Kamels gegenüber Hyperthermie liegt in einer Besonderheit der Atmung begründet – beim Ausatmen tritt kaum Wasserverlust auf. Im Bereich der langen Nase und der Atemwege wird die trockene, heiße Atemluft angefeuchtet und gekühlt, beim Ausatmen erfolgt Rekondensation durch die Nasenschleimhaut.
Studien an dehydrierten Oryxantilopen haben ergeben, dass sie eine Temperatur von 45 Grad Celsius über mehr als acht Stunden ertragen können, obwohl eine Körpertemperatur von 42 Grad Celsius für die allermeisten Säugetiere tödlich ist. Es gelingt dieser Antilope, ihr Gehirn über ein Aderngeflecht in der Nasenschleimhaut kühl zu halten, indem sie stark hechelt. Beim Blutaustausch gelangt das Arterienblut so um einige Grad kühler als im übrigen Körper zum Gehirn. Elenantilopen, Gnus und einige Gazellenarten können Körpertemperaturen bis zu etwa 43 Grad Celsius aushalten.
ARKTIS
Meereis bildet den Zentralbereich der Arktis um den Nordpol und ist an seiner Oberfläche eine reine Eiswüste. Dagegen sind der freie Polarozean und die Treib- und Packeisränder attraktive Lebensräume für Plankton, Fische oder Meeressäugetiere. Im Unterschied zur Antarktis existieren aber am Rand der Arktis weite unvergletscherte Räume, wo sich vor allem in den Tundren eine artenreiche terrestrische Tierwelt angesiedelt hat.
MARINE SÄUGETIERE
Der Eisbär ist das Symboltier der Arktis und steht für erstaunliche physiologische, körperliche und verhaltensorientierte Anpassungsstrategien an extreme, kalte Lebensbedingungen. Er begibt sich zwar zeitweilig an Land, ist aber aufgrund seiner Hauptnahrung dem marinen Lebensraum zuzuordnen. Um Fettreserven anzulegen, die gleichzeitig zur Kälteisolierung dienen, ist er auf die möglichst lange Meereisbedeckung angewiesen. Zwischen Treibeisschollen und an Atemlöchern in Eisdecken sind die Chancen auf eine erfolgreiche Robbenjagd am größten. Verpasst der Eisbär die einsetzende Frühjahrsdrift des Eises und bleibt an den Küsten zurück, muss er sich mit Kleintieren, Gelegen von Vögeln oder Aas begnügen. In einem solchen Hungersommer kann sich die Fettschicht nicht optimal regenerieren. Unter derart prekären Bedingungen wird oft die Einnistung einer befruchteten Eizelle abgebrochen, um den chancenlosen Nachwuchs einer geschwächten Eisbärmutter zu verhindern. In Anbetracht des aktuellen Klimawandels ist in den kommenden Jahrzehnten mit einem starken Populationsrückgang bei den derzeit etwa 23 000 Eisbären zu rechnen. Sie zählen zu den größten Raubtieren: Ihr riesiger Körper mit bis zu 3,40 Metern Länge und teils deutlich über 500 Kilogramm Gewicht (Männchen) schützt allein durch seine Größe vor schnellem Wärmeverlust. Die schwarze Haut absorbiert das Sonnenlicht besonders gut und wärmt zusätzlich. Mit ihrem dichten, nur aufgrund der Lichtbrechung gelblich-weiß erscheinenden Pelz aus farblosen, hohlen Haaren sind sie sehr gut isoliert. Ein öliger Belag umgibt jedes einzelne davon und wirkt stark wasserabweisend, zudem unterstützen die hohlen Haare den Auftrieb. Das macht die Bären auch zu schnellen und ausdauernden Schwimmern.
Große Säugetiere wie die Wale haben in Relation zu ihrem Volumen eine kleine Oberfläche und geben weniger Wärme an die Umgebung ab. Diesen Vorteil nutzen die beiden größten Walarten – der Blauwal und der Finnwal: Sie leben dank ihrer isolierenden Fettschicht zeitweilig in arktischen sowie in antarktischen Gewässern und mästen sich am dort massenhaft vorkommenden Plankton, vor allem an den winzigen Krebsen (Krill). Die Großwale teilen sich den arktischen Lebensraum mit ihren Verwandten wie dem Zwerg-, Sei- oder Brydewal.
Der Nordpolarozean beherbergt zudem neben Fischen und anderen Meerestieren eine Vielzahl an Robbenarten: Im atlantischen bis in den hochpolaren Abschnitt hinein lebt die Familie der Hundsrobben (Bartrobben, Ringelrobben, Klappmützen) – die Ernährungsgrundlage der Eisbären. Weiter südlich trifft man auf Seehunde, Sattel- und Kegelrobben. Wegen ihrer eindrucksvollen Eckzähne und des dicken Specks wurden die Walrosse stets stark bejagt. Ihre Restbestände leben in einigen flachen Küstengewässern von Schalentieren, Krebsen und Tintenfischen. Sie werden bis zu 3,50 Meter lang und oft mehr als 1200 Kilogramm schwer.
TERRESTRISCHE FAUNA
Verglichen mit den Eis- und Kältewüsten lebt eine wesentlich vielfältigere landgebundene Tierwelt in den üppiger bewachsenen Tundrengebieten der niederen Arktis. Hier sind Säugetiere die wichtigsten Nutzer der pflanzlichen Biomasse: eurasische Rentiere, nordamerikanische Karibus, Moschusochsen, Hasen, Lemminge und Wühlmäuse. Die Populationsgrößen, vor allem von Kleinsäugern wie den Lemmingen, schwanken stark in Abhängigkeit vom jährlichen Witterungsverlauf. Sie gehören wiederum zum Beutespektrum von Braunbären, Wölfen, Füchsen, Vielfraßen, Hermelinen oder Wieseln sowie von zahlreichen Greifvögeln. So steht der Fortpflanzungserfolg der Räuber in unmittelbarem Zusammenhang mit dem pflanzlichen Nahrungsangebot. Letzteres wird in den kargen nördlichen Kältewüsten so knapp, dass dort nur noch wenige Säugetiere anzutreffen sind.
Großsäuger wie Rentiere oder Karibus unternehmen oft weiträumige saisonale Wanderungen und ziehen im Winter zum Teil bis in die borealen Wälder. Mit 5000 Kilometern Länge ist die weltweit längste Jahreswanderung von Karibus in Alaska besonders beeindruckend. Dichtes und langhaariges Fell schützt diese Hirsch-Verwandten gegen Kälte und Schneestürme. Zudem wird die eisige Polarluft in der Nase »vorgewärmt«, beim Einatmen erfolgt dort Kondensation und damit Anreicherung der oft sehr trockenen Atemluft.
Die gefährlichsten Fressfeinde der Rentiere und Karibus sind die Polarwölfe. Sie folgen den Herdenwanderungen, sind mit ihrem dicken, weißen Fell gut gegen Kälte gerüstet und ertragen auch längere Hungerperioden. Ein ebenfalls erfolgreicher Jäger der Arktis ist der Vielfraß, eine Marderart mit großen, pelzigen Füßen. Seine Beute sind Schneehasen, Schneehühner und Nagetiere, aber genauso junge oder geschwächte Rentiere.
Nahezu unangreifbar sind die Moschusochsen, die in kleinen Arealen Grönlands und der kanadischen Arktis leben. Sie waren bereits Gefährten der ausgestorbenen eiszeitlichen Mammuts und Wollnashörner. Männliche Exemplare werden 2,50 Meter lang, haben eine Schulterhöhe von 1,50 Metern und wiegen bis zu 400 Kilogramm; die Kühe sind etwas kleiner. Moschusochsen sind von allen Wiederkäuern am besten an die arktische Umwelt angepasst: 70 Zentimeter lange Deckhaare und eine dichte Unterwolle halten den massigen Körper warm. Ihr effektives Verdauungssystem verarbeitet nicht nur Blätter, Gras und Flechten, sondern auch holziges Raufutter. Die Augen sind besonders bemerkenswert: eine Kombination aus Nachtsichtgerät und Schneebrille. In den dunklen Monaten November bis Februar helfen die großen Pupillen und eine sehr empfindliche Netzhaut, sich bei Mond- oder lediglich Sternenlicht gut zurechtzufinden. Die mögliche vollständige Schließung der Pupillen sowie Pigmentkörperchen in der Retina schützen zudem vor dem grellen Frühlings- und Sommerlicht oder vor Schneeblindheit. Die Hufe passen sich ebenso dem saisonal stark veränderlichen Lebensraum an: Im Sommer schleift sich das Klauenhorn ab; bei Schneebedeckung wachsen die Ränder der Hufe wieder vor und ermöglichen dem Tier eine größere Trittsicherheit. Mit diesen Fähigkeiten widerstanden die Moschusochsen bereits vor Jahrtausenden den eiszeitlichen Umweltbedingungen und trotzen bis heute dem Nahrungsmangel im arktisch-kalten Polarwinter.
ANTARKTIS
In der Antarktis fehlt mangels ausreichender sommerlicher Wärme eine produktive Vegetationsdecke, die eine festländische Nahrungskette mit Pflanzenfressern und Beutegreifern ermöglichen würde. Es gibt also weder kleine noch große Säugetiere auf dem antarktischen Kontinent. Somit sind es ausschließlich Meeresvögel, die ihr Brutgeschäft auf dem Festland oder auf dem Eis verrichten. Einige Meeressäuger, wie Robben und See-Elefanten, bringen ihre Jungen an den Küsten zur Welt und warten dort im Sommer den Fellwechsel ab.
TERRESTRISCHE UND MARINE KLEINLEBEWESEN
Nur eine überschaubare Gruppe von Kleinlebewesen findet sich in saisonalen Schmelzwasserpfützen oder zwischen Moospolstern und Flechten. Dazu zählen Einzeller (Protozoen), Fadenwürmer, Räder- und Bärentierchen. Viele Protozoen haben einen Durchmesser von nur wenigen Tausendstelmillimetern. Die Gruppe der Gliederfüßer ist mit Springschwänzen, Milben und flügellosen Zuckmücken vertreten. Sie ernähren sich vor allem von Detritus; einige Arten leben aber auch räuberisch.
Spuren einer besonders erstaunlichen Kleinstlebewelt wurden erst 1996 in etwa 3600 Metern Tiefe des antarktischen Eispanzers entdeckt. Innerhalb der auf 420 000 Jahre geschätzten Eisschichten existiert der Wostoksee – ein riesiger Süßwassersee mit extrem hohem Sauerstoffgehalt. In den Eisschichten unmittelbar über dem See wurde Erbgut von zahlreichen Kleinstlebewesen (Mikroben) nachgewiesen, von denen 94 Prozent zu den Bakterien und sechs Prozent wohl meist zu den Pilzen zählen. Um Kontaminationen zu vermeiden, wurde der See noch nicht direkt angebohrt. Was tatsächlich heute in völliger Dunkelheit dort lebt, muss erst noch herausgefunden werden.
Sehr gut erforscht ist hingegen das Zooplankton antarktisnaher Ozeangewässer, die im Winter von rund 20 Millionen Quadratkilometern Meereis bedeckt sind. Hier leben in großer Zahl Ruderfußkrebse und Leuchtkrebse. Insbesondere der Krill, mit etwa sechs Zentimetern Länge und einem Gramm Gewicht eine recht große Leuchtgarnele, ist ein äußerst wichtiges Glied in der antarktischen Nahrungskette. Er bildet riesige Schwärme von manchmal vielen Kilometern Durchmesser und wird von Bartenwalen, Robben, Pinguinen und Sturmvögeln gejagt.
VÖGEL UND MARINE GROSSTIERE
Pinguine sind die prominentesten Vögel der Antarktis. Sämtliche Arten sind flugunfähig, jedoch elegante Schwimmer und spezialisiert auf die Jagd nach Fischen, Krill und Tintenfischen. An Land sind sie durch die weit hinten sitzenden Beine zum aufrechten Gang gezwungen, wirken dabei aber eher unbeholfen. Mit ihren kurzen Federn, die sich schuppenartig überlappen und so einen wasserdichten Wärmeschutz bieten, sind Pinguine bestens an extreme Kälte adaptiert. Hinzu kommt eine dicke, isolierende Fettschicht. Gegen den potenziell größten Wärmeverlust über die Füße arbeitet ein ausgeklügeltes System: Der Blutfluss kann gedrosselt werden; die Temperatur wird wenige Grad über dem Gefrierpunkt gehalten. Ein »Wärmetauscher« sorgt für die Kühlung des Blutes, bevor es in die Füße strömt. Mit der so gewonnenen Wärme wird das aus den Füßen in den Körper zurückströmende Blut wieder gewärmt. Gegen eisige Stürme schützt das Zusammenrücken in Kolonien – eine Überlebensstrategie insbesondere in den winterlichen Brutgemeinschaften der Kaiserpinguine. An den exponierten Außenplätzen wird immer wieder gewechselt und in das Innere der Kolonie vorgerückt. Die Pinguinmännchen übernehmen das im Mai gelegte Ei, balancieren es auf ihren Füßen und bebrüten es in einer Hautfalte. Währenddessen treten die Weibchen einen oft über 100 Kilometer langen Marsch zum Eisrand an, um dort zu jagen und sich zu mästen. Die Rückkehr mit Futterreserven im Magen für das Junge erfolgt im August – ein eigenwilliges, riskantes, evolutionsgeschichtlich wohl weit zurückreichendes Ritual aus einer Zeit, als die saisonale Eisverbreitung und die Landschaftsstrukturen noch anders aussahen.
Neben Pinguinen brüten weitere Seevögel wie Sturmvögel, Albatrosse und Scheidenschnäbel auf eisfreien Standorten der Antarktis. Ihre Nachzucht leidet unter der räuberischen Braunen Skua, einer den Möwen verwandten Art. Die Skuas leben bisweilen mitten in den Brutkolonien, rauben Eier und stellen den Jungvögeln nach.
Zeitweilig an Land anzutreffen sind einige der sieben antarktischen Robbenarten. Sie sind Meeressäuger und zählen zur Ordnung der Raubtiere. Ihr Hauptlebensraum sind das Südpolarmeer und seine Küstenbereiche. Die spezielle Isolation durch eine dicke Fettschicht – bei einigen Arten kombiniert mit dichtem Fell – ermöglicht den dauerhaften Aufenthalt in dem bis minus zwei Grad Celsius kalten Wasser. Wegen seines begehrten Pelzes wurde der Antarktische Seebär nahezu ausgerottet. Diese Pelzrobbe bringt ihre Jungen an den Küsten zur Welt, während die Weddell-Robbe oder die Ross-Robbe bevorzugt auf dem Treib- und Packeis leben. Die Weddell-Robbe bleibt selbst in den Wintermonaten vor Ort und hält Atemlöcher in der Meereisdecke frei, während andere Arten, wie die Pelzrobbe, die Krabbenfresserrobbe oder der räuberische Seeleopard, im Winter zu den Eisrändern ziehen. Der Südliche See-Elefant ist die größte Robbenart. Ausgewachsene Bullen können ein Gewicht von drei bis vier Tonnen bei einer Länge von sechseinhalb Metern erreichen; die Weibchen sind deutlich kleiner und leichter. See-Elefanten waren an Land eine leichte und beliebte Beute früherer Robbenschläger, da sie große Mengen hochwertigen Trans lieferten. Dies hatte beinahe ihre Ausrottung zur Folge. An den Stränden der subantarktischen Inseln und der Antarktischen Halbinsel sammeln sich im Sommer inzwischen wieder Kolonien von See-Elefanten, die dort in drei bis fünf Wochen ihren Fellwechsel hinter sich bringen und dabei von ihren Fettreserven zehren müssen. Ansonsten sind sie zu 90 Prozent der Zeit unter Wasser und machen Tauchgänge bis in mehrere Hundert Meter Tiefe. Robben ernähren sich vor allem von verschiedensten Fischarten, Krabben, Tintenfischen oder Krill. Da die Bartenwale als Planktonfiltrierer intensiv in den antarktischen Gewässern gejagt wurden, hat sich der Krill-Bestand beträchtlich vergrößert und kommt so den Robben- und Pinguin-Populationen zugute.
Wale gelten als »Wanderer zwischen den Welten«: So ziehen sowohl die arktischen wie die antarktischen Bartenwale in der jeweiligen Sommersaison in die planktonreichen polaren Gewässer, um sich erneut üppige Speckreserven anzufressen. Mit Beginn der dunklen Jahreszeit ziehen sie in gemäßigte oder subtropische Gebiete, wo sie ihre Jungen zur Welt bringen. Viele Zahnwale leben am Rand des Packeises. In der Antarktis machen die berüchtigten Orcas vor allem Jagd auf Pinguine und Robben, in arktischen Gewässern auf Narwale, Robben und Fische. (Trotz des bis zu minus zwei Grad kalten Wassers gibt es eine unerwartet große Fischpopulation, da die Antarktisfische (Notothenioidei) mit 90 Prozent den Fischbestand dominieren – sie verfügen über Anti-Frost-Proteine.)
Wale schützen sich durch eine dicke Speckschicht (Blubber) gegen die eisige Kälte der antarktischen Gewässer. Der aus dem Walspeck gewonnene Tran war lange Zeit stark nachgefragt und führte fast zum Verschwinden mancher Arten. So wurde der auf 400 000 Exemplare geschätzte Bestand des Südlichen Finnwals auf etwa 5000 Tiere reduziert. Im Jahr 2003 wurde ihre Zahl im Südpolarmeer auf 15 000 geschätzt – ein Erfolg internationaler Schutzabkommen.
Im Zuge der erdgeschichtlichen Klimaveränderungen der jüngsten Jahrmillionen haben sich immer wieder die Grenzen der individuellen Ökosysteme verschoben; manche Lebensräume verschwanden sogar zeitweilig unter mächtigen Eisdecken kontinentalen Ausmaßes. In der kühleren Atmosphäre der Eiszeiten wuchsen analog die Trockenwüsten aufgrund verringerter Niederschläge. Nur Tiere mit der Fähigkeit zum »Mangelmanagement« entwickelten vorgegebene Anlagen weiter, konnten sich so trotz stark beschränkter Ressourcen im veränderten Lebensraum behaupten. Lediglich die »fittesten« im Sinne Charles Darwins, das heißt die am besten angepassten Arten sind heute in den Wüsten anzutreffen – kein Vergleich mit der Vielfalt in feuchten und warmen Lebensräumen, in denen der Faktor »Mangel« eine untergeordnete Rolle spielt. Überlebensmechanismen gehen hier in ganz andere Richtungen, wie es sich zum Beispiel im Fluchtverhalten und in der Mimikry oder der Mimese zeigt, der geschickten Tarnung vor den zahlreichen Fressfeinden.
Planet Wüste | |
Arktis | |
Wüsten der Nordhalbkugel | |
Wüsten der Südhalbkugel | |
Antarktis | |
Wissen – Polargebiete und Trockenwüsten | |
|