Der Begriff Wüste bezeichnet so unterschiedliche Landschaften wie die Sandmeere der Rub al-Khali, die Dornbuschsavanne der Kalahari oder das ewige Eis des antarktischen Polarplateaus. Während für Europäer die endlosen Dünen der Sahara der gängigen Vorstellung einer Wüste entsprechen, sind für Australier die savannenartigen Landschaften im Zentrum des fünften Kontinents schon deswegen »desert«, weil kein Oberflächenwasser existiert. Viele Island-Reisende besuchen die Sprengisandur, die »Wüste der Missetäter«, und werden feststellen, dass es dort weder besonders trocken noch besonders kalt ist. Hier ist die Bodenbeschaffenheit die Ursache für die wüstenhafte Landschaftsform. Es ist also zu Beginn dieses Buches geboten, eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Wüstentypen vorzunehmen.
TROCKENWÜSTEN
Wird im Folgenden von Wüsten gesprochen, sind damit die Trockenwüsten gemeint, also Gebiete, in denen es wegen Niederschlagsmangels nur zu lückenhaftem Bewuchs oder Vegetationslosigkeit kommt. Trockenwüsten bedecken 20 Prozent der Landoberfläche der Erde; nimmt man die Halbwüsten hinzu, deckt das gar ein Drittel der Festlandflächen ab. Die Trockenwüsten ziehen sich in zwei Gürteln um die Erde. Ihre Trockenheit hat unterschiedliche Ursachen. Entsprechend nennt man sie Wendekreis-, Binnen-, Relief- oder Küstenwüsten.
Der nördliche Wendekreis hat eine geografische Breite von 23,5 Grad und heißt »Wendekreis des Krebses«, der südliche Wendekreis findet sich bei 23,5 Grad südlicher Breite und wird »Wendekreis des Steinbocks« genannt. Entlang dieser beiden Wendekreise reihen sich die Trockenwüsten der Erde wie auf einer Perlenkette auf und bilden die beiden Wüstengürtel der Nord- und der Südhalbkugel. Die Wendekreiswüsten nehmen flächenmäßig den größten Anteil an Wüsten ein. Die Trockenheit an den Wendekreisen lässt sich nur als Aspekt der weltweiten atmosphärischen Zirkulation verstehen. Zu dieser werden auch die trockenen Passatwinde gezählt, die durch den Druckausgleich zwischen dem Hochdruckgürtel der Subtropen und der Tiefdruckrinne am Äquator entstehen. Die Sahara gilt als die Wendekreiswüste schlechthin. Die Trockenheit in der Ostsahara und auf der Arabischen Halbinsel wird zusätzlich durch den Einfluss des Ostjets, einer mit dem sommerlichen Höhenhoch über Tibet in Zusammenhang stehenden Höhenströmung, verstärkt.
Wenn quer zur Hauptwindrichtung verlaufende Gebirgszüge dafür sorgen, dass Niederschläge bereits auf der Luvseite niedergehen und es im Lee zu Niederschlagsarmut kommt, können orografische Wüsten oder Reliefwüsten entstehen. Reliefwüsten der Nordhalbkugel sind die Great Basin Desert im Lee der Sierra Nevada und des Kaskadengebirges sowie die südlich angrenzende Mojave Desert mit dem Death Valley. Auch die Trockenheit der zentralasiatischen Wüsten, die oftmals in Becken liegen und von Hochgebirgen umschlossen sind, wird durch die Abschirmwirkung der Gebirge verstärkt. Der Himalaya bildet eine natürliche Barriere, die den Monsun daran hindert, in Tibet und im übrigen Zentralasien wetterwirksam zu werden.
Eine meeresferne, also kontinentale Lage kann hingegen zur Bildung von Binnenwüsten oder kontinentalen Inlandwüsten führen. Diese sind aufgrund seiner Größe vor allem auf dem asiatischen Kontinent zu finden. Hier sind die Wüsten Kysilkum und die Karakum in Mittelasien sowie die Takla Makan, die Dsungarei, die Badain Sharan und Teile der Wüste Gobi zu nennen. Bisweilen wird die Great Basin Desert Nordamerikas auch zu den Binnenwüsten gerechnet. Des Öfteren sind bei Wüsten Reliefeinfluss und meeresferne Lage kombiniert. Auch die enorme Trockenheit der Ostsahara wird durch die kontinentale Lage zumindest verstärkt. Typisch für Binnenwüsten sind große jahreszeitliche Temperaturunterschiede. In der Gobi werden beispielsweise im Winter bis zu minus 50 Grad Celsius gemessen, im Sommer dagegen über plus 40 Grad.
In Küstenwüsten gibt es praktisch keinen Niederschlag. Doch sorgt die Nebelbildung hier für relative Feuchte und eher kühle Temperaturen. Ursache für die Küstenwüsten sind kalte Meeresströmungen, wie der Benguelastrom, der Kanarenstrom oder der Humboldtstrom, die dazu führen, dass sich über den Küstengewässern Inversionswetterlagen bilden, die Regen praktisch unmöglich machen. Küstenwüsten befinden sich immer an den Westflanken der Kontinente, weil die Corioliskraft Oberflächenwasser landabwärts lenkt, sodass das von einer Meeresströmung herangeführte kalte Tiefenwasser aufsteigen kann. So liegt die Wassertemperatur um mehr als fünf Grad Celsius niedriger, als das in den jeweiligen Breiten zu erwarten wäre. Typische Küstenwüsten sind Teile der Atacama und der Namib, auf der Baja California, in der Westsahara und im Westen Australiens wird die Trockenheit durch die beschriebenen Vorgänge zumindest verstärkt.
KÄLTE- UND EISWÜSTEN
Wenn fehlende Vegetation als Erkennungsmerkmal für eine Wüste gilt, müssen auch bestimmte Gebiete der Polarregionen als Wüste bezeichnet werden. Geografen sprechen dann von einer Kältewüste, wenn die Bewuchsdichte weniger als zehn Prozent der Fläche ausmacht. Es ist aber weniger die Kälte, sondern der Wärmemangel und damit einhergehend eine zu kurze Vegetationsperiode im Sommer, die zu Vegetationslosigkeit führt. Oftmals gesellt sich zum Wärmemangel noch Niederschlagsarmut dazu, die das Pflanzenwachstum zusätzlich einschränkt. Hinzu kommt der Abrieb durch Eis- und Schneekristalle, der aufgrund der in Polarregionen oftmals heftigen Winde für Jungpflanzen ein zusätzliches Wachstumshindernis darstellt. Kältewüsten sind räumlich nicht sehr ausgedehnt. Große Teile der Arktis werden vielmehr der Tundra zugerechnet oder sind von Eis bedeckt. In der Antarktis machen die Kältewüsten nur zwei Prozent der Fläche aus, der Rest ist von Inlandeis überzogen.
Die Inlandvereisungen von Antarktika, Grönland, Spitzbergen und von anderen arktischen Inseln werden als Eiswüsten bezeichnet. Da hier weder Gestein ansteht noch Böden vorkommen, gibt es auch keinerlei Vegetation.
EDAPHISCHE WÜSTEN
Neben den Trockenwüsten, Kältewüsten und Eiswüsten gibt es einen weiteren Wüstentyp, die edaphischen Wüsten. Hier führt die mangelnde Wasserspeicherkapazität der Böden und nicht das Klima zu geringer oder gar fehlender Vegetation. Der Großteil der Niederschläge versickert in klüftigem oder porösem Gestein. Diese Gebiete sind unregelmäßig und kleinräumig auf der Erde verteilt und sind an vulkanisches Gestein oder an grobkörnige Sedimentkörper gebunden. Beispiele sind das Hochland von Island oder die Lavafelder auf Hawaii. Edaphische Wüsten stehen nicht im Fokus dieses Buches, einzig Island wird näher betrachtet, liegt es doch am nördlichen Polarkreis.
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