»Wenn das Eis schmilzt und die Wüste wächst …« – dieses Motto einer Akademieveranstaltung war im Grunde irreführend, wenn auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer wärmeren Atmosphäre, abschmelzenden Gletschern und sich weiter ausbreitenden Wüsten manchem einleuchtend erscheint. Ein Blick in die Klima- und Landschaftsgeschichte macht aber deutlich, dass sich in den Phasen starker Vergletscherung (Kalt- oder Eiszeiten) die Trockenwüsten ebenso ausweiteten. Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, vor 20 000– 16 000 Jahren, als riesige Inlandeismassen über Nordamerika und Nordwest-Eurasien lagen, erreichten Wüsten wie die Sahara, die Namib, die Kalahari oder die Wüsten Australiens weit größere Ausmaße als heute. In dieser globalen Kaltphase entstanden unter kräftig verstärkten Windregimen die beeindruckenden Sandmeere mit ihren Riesendünen, wie in der Sahara, der Takla Makan, der Namib oder auf der Arabischen Halbinsel. Darüber hinaus wurden in den Trocken- und Kältewüsten gewaltige Staubmassen bewegt und weiträumig auf dem Globus verteilt. Dieser Löss bildet in der gegenwärtigen Warmzeit in vielen Regionen der Erde die Grundlage einer ertragreichen Landwirtschaft.
Der physikalische Zusammenhang mit der Wüstenausdehnung liegt auf der Hand: Eine kälter werdende Atmosphäre kann weniger Wasser aufnehmen, damit verringern sich die Niederschläge. Die Reichweite und Ergiebigkeit von wandernden Tiefdruckgebieten und Monsunsystemen nimmt ab. In der Folge dehnen sich offene Landschaften wie Savannen, Steppen und Wüsten aus – und entsprechend schrumpfen die Areale der feuchten Waldökosysteme. Umgekehrt demonstriert die Kulturgeschichte der Sahara als Prototyp einer heißen Wüste eindrucksvoll, wie sich im holozänen Klima- und Wärmeoptimum nach der Eiszeit die abweisende Extremwüste zu einem savannenartigen Lebensraum entwickelte, in dem auch Großsäugetiere wie Elefanten, Giraffen und Antilopen dauerhaft lebten. Zahlreiche, teilweise weit ausufernde Seen sowie weit verzweigte, saisonal aktive Flussläufe ermöglichten eine vielfältige Wasserfauna, sogar mit Krokodilen und Flusspferden. In vielen Felsmalereien offenbart sich eine reichhaltige menschliche Aktivität – zunächst als Jäger-und-Sammler-Kulturen, später sogar als semi-sesshafte Hirten. Die Zeit der »Grünen Sahara« begann vor etwa 10 000–12 000 Jahren mit der global wärmsten Phase nach der Eiszeit, in der sowohl der tropische Monsun seine Reichweite und Intensität vergrößerte wie auch die außertropische Westwindzirkulation die Wüste zunächst in eine Halbwüste, dann in eine Steppen- und Savannenformation umwandelte. Ab etwa 5000 vor Christus begann der Monsun sich wieder abzuschwächen, es wurde allmählich trockener. Nach 3500 vor Christus lassen sich beispielsweise in der Ostsahara keine Siedlungsaktivitäten mehr nachweisen. Infolge der Abkühlung hat die Wüste ihr Territorium zurückerobert. Menschliche Aktivitäten konzentrierten sich nun in der Nil-Oase. (Andere Wüsten durchliefen in diesem Zeitraum eine vergleichbare klimatisch-ökologische Veränderung.)
Ob sich durch die aktuelle, anthropogen mitbestimmte Erwärmung ein vergleichbarer Wandel vollziehen wird, ist ungewiss. Zu bedenken gilt, dass dieses »Großexperiment« für die Natur bisher einmalig ist: Noch nie gab es so viele Menschen – mehr als sieben Milliarden – auf unserem Globus. Sie alle benötigen und verbrauchen Fläche. Ihre vielfältigen »ökologischen Fußabdrücke« summieren sich und sind nicht nur bezüglich der emittierten Treibhausgase klimawirksam. Es werden Kettenreaktionen und Synergien ausgelöst, die zum Teil noch völlig unbekannt sind. Mit Recht hat der Nobelpreisträger Paul Crutzen unsere erdgeschichtliche Gegenwart mit dem treffenden Begriff »Anthropozän« belegt. Diese umfasst die jüngsten Jahrtausende, das Holozän, in dem der sesshafte Mensch aktiv in das Naturgeschehen verändernd, meist aber nachteilig und oft sogar zerstörerisch, eingegriffen hat.
GIBT ES EINE NEUE »GRÜNE SAHARA«?
Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen, und zwar exponentiell. Auch wird sich deren Volumen ausdehnen. Eine atmosphärische Erwärmung wird damit zwangsläufig mehr Niederschlag produzieren. Dass ein Teil davon wiederum in die Passat-/Monsun-Zirkulation und in die außertropischen Tiefdruckbereiche einfließt, steht zu erwarten. Ungewiss ist, wie sich dabei die ohnedies unsteten Grenzbereiche von Druckgürteln und Zirkulationsmustern verändern. Für Europa werden zukünftig wärmere und trockenere Sommer erwartet – eine saisonale Nordausdehnung der subtropischen Hochdruckzone (Azorenhoch). Der Mittelmeerraum und der Vordere Orient könnten somit eine noch stärkere sommerliche Aridisierung erfahren. Andererseits könnten die winterlichen Tiefs mehr Niederschlag bringen. Für die Annahme, die Sahara und andere Wüsten würden unmittelbar durch die atmosphärische Erwärmung noch trockener werden, gibt es keine physikalische Begründung. Umgekehrt mehren sich in den letzten Jahren regionale Anzeichen für eine Zunahme von Niederschlägen in der südlichen Sahara, dem Sahel und dem Sudan. In bestimmten Regionen suchen Nomaden wieder Weideplätze auf, die jahrzehntelang nicht genutzt werden konnten. Auch manche Klimamodelle gehen von einer Zunahme der Niederschläge aus und lassen die Vermutung zu, dass sich auf lange Sicht wieder Verhältnisse wie vor 10 000 Jahren einstellen könnten. Dürren und Hungerkatastrophen werden aber auch zukünftig nicht ausbleiben. Das muss aber kein Widerspruch sein: Wüsten, Halbwüsten und ihre Grenzsäume waren und sind von Natur aus klimatisch äußerst variabel und werden es bleiben. Um Trends in der Niederschlagsveränderung erkennen zu können, bedarf es einer Zeitreihe von mindestens 25–30 Jahren.
In diesem hypothetischen Kontext »wärmere Luft – vermehrte Niederschläge« mag es signifikant sein, dass Namibia als arides Gebiet mit einem Anteil an zwei Wüsten in den vergangenen 15 Jahren zahlreiche, gute Regenzeiten erlebt hat. Nahezu alle ephemeren Flüsse, die in und durch die Namib ziehen, haben viel häufiger als früher bis zum Atlantik durchbrechen können. Die Küstenwüstenstadt Lüderitz hat mehrfach Wasserschäden durch örtliche Niederschläge erfahren. Das alles steht im Gegensatz zu den häufigen Dürreperioden der vorausgehenden Jahrzehnte. Noch gibt es keinen klaren Trend, und auch weit unterdurchschnittliche Regenzeiten fehlten in diesen Jahren nicht.
VOM MENSCHEN GEMACHTE WÜSTENIm Eingangszitat war von wachsenden Wüsten die Rede. In der Tat hat sich in der jüngeren Vergangenheit die Fläche der Wüsten weltweit vergrößert. Gründe dafür sind jedoch weniger im engeren Prozess des Klimawandels, sondern in der unmittelbaren menschlichen Einwirkung zu suchen. Der Begriff »Desertifikation« fand im Zusammenhang mit der großen Sahel-Dürrekatastrophe in den 1970er- und 1980er-Jahren Eingang in die Fachwissenschaft und die öffentliche Diskussion. Damals waren etwa 50 Millionen Menschen betroffen; etwa eine Million fand den Tod. Ebenso verhungerten Millionen von Tieren. Desertifikation beschreibt das Phänomen der »man-made desert«, der unmittelbar anthropogen ausgelösten Wüstenbildung. In den der Katastrophe vorausgehenden Jahrzehnten, insbesondere in den regenreichen Jahren 1950–1968, hatten sich viele Viehzüchter und Ackerbauern in der Trockensavanne des Sahels angesiedelt. Als die Dürrejahre einsetzten, verstärkte sich die Übernutzung dramatisch – zurück blieb ein »verwüsteter« Raum, der nur sehr schwer regenerierbar ist.
Ein Drittel der Landoberfläche zählt zu den ariden Gebieten, das heißt, in der jährlichen Wasserbilanz überwiegt dort die Verdunstung gegenüber den Niederschlägen. An die existierenden Wüsten innerhalb der Trockengebiete grenzen Halbwüsten, Steppen oder Dornbusch- und Trockensavannen. Diese biotisch diversen und deutlich dichter bewachsenen Lebensräume sind in besonderem Maß durch die Desertifikation bedroht. Weite Gebiete sind gegenwärtig bereits irreparabel durch die wirtschaftliche Nutzung degradiert oder zerstört. Ein derartig wüstenähnlicher Zustand mit erosionsgeschädigter Oberflächenstruktur bedeutet einen immensen ökologisch-landschaftlichen Funktionsverlust, da die Niederschläge jetzt kaum mehr versickern können, unmittelbar zum nächsten Bach- oder Flusslauf (Vorfluter) abfließen und somit auch die potenzielle Verdunstung sowie die regionale Wolkenbildung schwächen. Beispielhaft lässt sich der Prozess der Desertifikation an der Iberischen Halbinsel und dem gesamten Mittelmeerraum aufzeigen, also in Räumen, die gar nicht zu den Trockengebieten zählen. Die Großregion war bis zur Antike in weiten Teilen von Steineichen-Wald bedeckt. Heute herrschen vornehmlich sekundäre Pflanzengesellschaften, wie Macchien und Garriguen, stellenweise auch Halbwüsten vor. Dass gerade Südostspanien als trockenstes Gebiet Europas immer wieder echte Dürre- und Wasserprobleme hat, kann mit der mangelnden Versickerung durch raschen Oberflächenabfluss erklärt werden. Das bedeutet verminderte Verdunstung, Wolkenbildung und Niederschläge.
Unter dem anhaltenden Druck einer explodierenden Weltbevölkerung wird die Desertifikation weltweit voranschreiten. Betroffen sind vor allem die genannten Vegetationsformationen der ariden und stark semi-ariden Gebiete mit zeitlich wie räumlich sehr variablen Trocken- und Regenzeiten. Sie eignen sich vornehmlich für die Weidewirtschaft, aber auch für die Bewässerungslandwirtschaft, sind jedoch sehr anfällig gegenüber Trockenjahren und Dürren. Unangepasste Nutzung durch Überweidung und Brenn- oder Bauholzgewinnung liefern das Land der Wasser- und Winderosion aus. Falsche Bewässerungsmaßnahmen führen zur Versalzung oft großer Flächen. Ein alarmierendes Beispiel liefert das Schicksal des fast verschwundenen Aralsees. Dies sind nur wenige, aber gravierende Hinweise, wie durch die menschliche Nutzung und fehlende Nachhaltigkeitskonzepte aus zunächst ertragreichen Räumen Wüsten werden. Da in Trockengebieten generell weiterhin mit dem Auftreten von Starkregen gerechnet werden muss, ist eine einmal geschädigte oder gar zerstörte Landschaft kaum regenerierbar: Die Desertifikation lässt die Wüsten weiter wachsen, selbst wenn regional sogar mehr Niederschlag auftreten sollte.
EISSCHWUND IN DER ARKTIS
Das Phänomen der globalen atmosphärischen Erwärmung wurde zunächst an den Gebirgsgletschern augenfällig. Weltweit schmolzen die meisten Gletscher seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, dem Ende der »Kleinen Eiszeit«. Die großen Eiswüsten reagierten verzögert, zeigen nun aber vor allem in der Arktis erhebliche Veränderungen in bedrohlich anmutender Geschwindigkeit. In den letzten 20 Jahren machten wissenschaftliche Beobachtungen insbesondere zum Verhalten des nordpolaren Meereises Schlagzeilen. Es haben sich frappierende Veränderungen in der Zentralarktis vollzogen: Durchschnittlich verminderte sich die Mächtigkeit der sommerlichen Eisdecke von 3,1 auf 1,8 Meter. So verringerte sich in der Arktis das Volumen im Jahr 2012 um 72 Prozent gegenüber dem Mittel seit 1979. Eisecholotmessungen von U-Booten aus den Jahren 1958–1976 und 1993–1997 belegen eine Abnahme der Eisdicke um 43 Prozent im zentralen Nordpolarmeer. Besonders zu beachten ist wegen der multiplen Klimawirksamkeit der beschleunigte flächenhafte Rückgang der nordpolaren Meereisdecke. Um das Jahr 1900 umfasste diese im sommerlichen Minimum etwa 8,5 Millionen Quadratkilometer, schwankte wohl in diesem Zeitraum zwischen 7,5 und 9,5 Millionen Quadratkilometern. Bis 1950 blieb der Zustand stabil; ab 1978 zeigt sich ein deutlicher Abwärtstrend. Das Netzwerk Klima Campus Hamburg meldete, dass Mitte September 2012 nur noch 3,37 Millionen Quadratkilometer mit Eis bedeckt waren – gegenüber durchschnittlich 7,5 Millionen Quadratkilometern im Zeitraum 1979–2000. Das bedeutet einen Rückgang der Bedeckung um mehr als die Hälfte. Ein derartiger Tiefstand wurde seit dem Beginn der systematischen Beobachtungen 1973 noch nie registriert. Davor erregten die Jahre 2007 mit 4,3 Millionen Quadratkilometern und 2009 mit 5,1 Millionen Quadratkilometern Eisbedeckung mit einem Minimum-Rekord die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und verstärkten die Diskussion um den globalen Klimawandel. Schließlich besitzen weiße Eisflächen einen bedeutsamen Albedo-Effekt: Sie können bis zu 90 Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie reflektieren.
Der Rückgang des polaren Treib- und Packeises eröffnet aber auch wirtschaftliche Perspektiven. Zum einen lockt die Ausbeutung mineralischer Ressourcen in der Arktis, zum anderen ist eine ungehinderte Nutzung der beiden arktischen Passagen durch Frachtschiffe äußerst interessant. Die Strecke Rotterdam–Tokio ist 21 100 Kilometer lang und würde sich über die Nordwestpassage auf 15 900 Kilometer, über die Nordostpassage auf 14 100 Kilometer verkürzen. Ende August 2008 waren erstmals beide Passagen zeitgleich eisfrei. In den nachfolgenden Jahren zeigte sich die Nordostpassage am Ende des Sommers (August bis Oktober) für einige Wochen eisfrei. Modellrechnungen zum weiteren Rückgang des arktischen Meereises machen wahrscheinlich, dass die sommerliche Passierbarkeit verlässlicher und sicherer wird.
SCHWINDENDES INLANDEIS AUF GRÖNLAND
Grönland mit einer Fläche von 1,74 Millionen Quadratkilometern hat die größte festländische Eiswüste der Arktis. Das Eisvolumen beträgt drei Millionen Kubikkilometer, das entspricht einem Zehntel des antarktischen Eisschildes. Es bedeckt etwa 81 Prozent der Insel und würde bei völligem Abschmelzen den Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen lassen. In den letzten Jahren erlebt Grönland eine dramatische Abnahme seines Eisvolumens durch eine unerwartet hohe Abschmelzrate. Die Oberflächenschmelze hat inzwischen sogar das Inlandeisplateau in über 3000 Metern Höhe erreicht, zumindest an einigen Sommertagen. Zurzeit schmelzen auf Grönland etwa 300 Kubikkilometer Eis pro Jahr, was zu einem Meeresspiegelanstieg von 0,8 Millimetern pro Jahr beiträgt. Der Eisschild verliert auch Masse über ein verstärktes Abkalben von Eisbergen an den zahlreichen Fronten der Auslassgletscher, die immer weiter in das Hinterland zurückweichen. Mit der Erwärmung der Arktis wird offensichtlich auch die Bewegung des Eises gesteigert. Als Beispiel sei der Sermeq- Kujalleq-Geltscher an der Westflanke angeführt. Seine Fließgeschwindigkeit hat sich in der Zeit von 1997–2012 fast verdoppelt. 2003 kollabierte seine 15 Kilometer lange Schelfeiszunge. Die Gletschermündung liegt jetzt weit im Inland. Ein Netz von Schmelzwasserkanälen und wassergefüllten Hohlräumen im Eiskörper auch anderer Auslassgletscher verursacht rasche Vorstöße im Sommer und produziert vermehrt Eisberge und Trümmereis.
STABILES EIS IN DER ANTARKTIS?
Gegenüber der Arktis zeigen die antarktischen Eiswüsten bisher relativ geringe Veränderungen: Das zirkumpolare Meereis nahm in den letzten Jahren flächenmäßig sogar leicht zu. Die Lufttemperaturerhöhung hat in den vergangenen 50 Jahren zwar auch den Eiskontinent erfasst, jedoch in regional unterschiedlicher Intensität. Die riesige Ostantarktis verzeichnet etwa 0,5 Grad Celsius Zunahme, nördliche und zentrale Bereiche der Westantarktis haben sich weltweit mit 2,5 Grad Celsius Erhöhung am schnellsten erwärmt. Die Ursache dafür wird in der Erwärmung des Südlichen Pazifiks gesucht.
Für die weit nach Norden ragende Antarktische Halbinsel wurde seit 1947 ein Anstieg der Temperatur von 0,55 Grad Celsius pro Jahrzehnt ermittelt. Das bewirkte in dem ohnehin ozeanisch gemilderten Klimabereich eine erhöhte Schmelzwasserproduktion und ein signifikantes Rückschmelzen der Gletscher auf den Süd-Shetlandinseln. Mit der Erwärmung scheint sich die Fließdynamik von Eisströmen und die Stabilität von Schelfeisen ebenfalls zu ändern. Besondere Aufmerksamkeit erregte der Kollaps des dreiteiligen Larsen-Schelfeises an der Ostflanke der Antarktischen Halbinsel: Der Gesamtkomplex (Larsen A, B, C) hatte ursprünglich 103 400 Quadratkilometer Fläche; 1995 löste sich vor allem Teil B stark auf, 2002 folgte ein zweiter gewaltiger Abbruch; danach wurden über Satelliten weitere Verluste registriert. Im Jahr 2005 betrug die Restgröße 78 515 Quadratkilometer. Derartige Ereignisse fachen die Diskussion über das glaziale Schicksal der Westantarktis immer wieder an. Die Sorge besteht, dass mit zunehmender Erwärmung der zusammengewachsene Eiskörper des Archipels, oder Teile davon, auseinandergleiten und damit spontan einen drastischen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern auslösen könnte.
In der besonders trocken-kalten Ostantarktis dagegen zeigten sich bisher kaum negative Veränderungen im Eishaushalt. Die nur sehr geringe Temperaturzunahme bleibt bisher ohne erkennbare Wirkung. Dieser riesige Eispanzer benötigt sehr viel Wärmeenergie, um einen Schmelzprozess im Inneren des Kontinents in Gang zu bringen. Jüngere Studien kamen sogar zu dem Befund, dass durch die wärmere Atmosphäre erhöhte Schneefälle bewirkt werden und damit das Gletschereis noch wachsen wird. Dieser Effekt hat sich bestätigt, dennoch soll nach neuesten Befunden die erhöhte Schneelast den Eisabfluss derart verstärken, dass letztlich durch den Eisverlust der antarktische Anteil am Meeresspiegelanstieg stärker wird als bisher angenommen.
NOCH WENIG WANDEL IN DEN KÄLTEWÜSTEN
In den vergangenen 50 Jahren stieg die Jahresmitteltemperatur in Teilen der arktischen Tundrengebiete um 3,5 Grad Celsius. Die ökologischen Folgen und landschaftlichen Veränderungen sind bereits beträchtlich: polwärtige Verschiebung der Waldgrenze und Strauchtundren, ein tiefer greifender sommerlicher Auftauboden über dem Permafrostkomplex oder CO2- und Methanfreisetzung aus auftauenden Permafrostschichten.
Echte Kältewüsten, also nur äußerst spärlich bewachsene Frostschuttlandschaften an den Rändern der großen Vereisungsgebiete oder den besonders kalten Säumen der polaren Festländer, zeigen bisher jedoch nur geringfügigen Wandel. Um wenige Grad Celsius steigende Jahresmitteltemperaturen werden nicht zwangsläufig vermehrtes Wachstum nach sich ziehen, da die Fotosyntheseleistung durch Wärme in weniger starkem Maße beeinflusst wird als durch die Dauer und Intensität des zur Verfügung stehenden Sonnenlichts. Ein weiterer Regelfaktor ist die Nährstoff- und Wasserversorgung. Diese Parameter bleiben aufgrund der astronomisch bestimmten Beleuchtungsverhältnisse bei sehr hoher geografischer Breite so lange limitiert, bis sich die Vegetationsperiode wärmebedingt ausreichend verlängert hat.
Eine Ausnahme bilden die kleinräumigen Kältewüstenstandorte der bereits erwähnten Antarktischen Halbinsel. Das ohnehin ozeanisch stark gemilderte Polarklima mit seinen unterkühlten Sommern reagiert nun spürbar auf die Temperaturzunahme in der Westantarktis. Der ursprünglich flächenhaft verbreitete Permafrost ist zumindest regional aufgetaut. Die beiden einzigen Blütenpflanzen – die Perlwurz und die Antarktische Schmiele – haben sich weiter ausgebreitet, ebenso Moose und Flechten. Die spröde Kältewüste scheint sich langsam zu einer marginalen, zwergwüchsigen Tundra zu wandeln.
AUSBLICK
Die Siedlungsgeschichte des Menschen ist mit den heißen Wüsten stärker verknüpft, als es vordergründig scheinen mag. Die Phasen der natürlichen atmosphärischen Erwärmung mit höherer Feuchte der letzten Jahrtausende boten in vielen zuvor trockenen Regionen neue Potenziale zur Kulturentfaltung. Der aktuelle Wandel jedoch, teils vom Menschen durch unangepasste Verhaltens- und Nutzungsweisen verursacht, vollzieht sich auf einem dramatisch überbevölkerten Globus. Mögliche positive Begleiterscheinungen der klimatischen Veränderung werden sich in den Wüsten(rand)gebieten durch den Bevölkerungsdruck kaum entfalten können, sondern rasch zunichte- gemacht werden. Der schon lange währende Kampf um die knappe Ressource Wasser wird sich weiter verschärfen. Immer mehr Wüsten- und Halbwüstengebiete mit alten Oasen- und Nomadenkulturen haben sich bereits zu weitflächigen Konfliktgebieten rivalisierender Völkerschaften entwickelt. Neben einer rücksichtslosen, zerstörerischen Ausbeutung von Rohstoffen verwüsten nun Kriegsschauplätze faszinierende Natur- und Kulturlandschaften der Trockengebiete. Im überraschend schnellen Abbau der arktischen Meereisdecke und im dramatisch beschleunigten Schmelzprozess des grönländischen Inlandeises liegt nicht nur eine gravierende Bedrohung von Küsten- und Tiefländern, sondern eine zukünftig veränderte Rolle der Eiswüsten und Polarozeane als ein Steuerungselement des bisherigen globalen Klimas. Noch ist nicht abzuschätzen, welche Wechselwirkungen und Synergismen sich einstellen werden. Es ist dringend geboten, den ausgelösten Veränderungsprozessen verstärkt durch Verminderung von Treibhausgasemissionen entgegenzuwirken und pragmatische Anpassungsstrategien für die globale Gesellschaft zu entwickeln.
Planet Wüste | |
Arktis | |
Wüsten der Nordhalbkugel | |
Wüsten der Südhalbkugel | |
Antarktis | |
Wissen – Polargebiete und Trockenwüsten | |
|