Die zentralasiatischen Wüsten liegen im Nordwesten Chinas und im Süden der Mongolei. Es handelt sich größtenteils um Becken, die von Hochgebirgen umgeben sind. Ihre Trockenheit wird zum einen durch die Abschirmung seitens der sie umgebenden Gebirge, zum anderen durch ihre ozeanferne Lage verursacht. Die Zyklone (Tiefdruckgebiete) der Westwinddrift haben hier kaum noch einen Einfluss auf das Klima, weil der Atlantik zu weit entfernt ist. Und von Osten her nimmt der Feuchtegehalt des chinesischen Monsuns schnell ab. Eine weitere Ursache für die Trockenheit ist die Nähe zum winterlichen Kältehoch über Sibirien, dessen absinkende und damit strockene Luftmassen westliche Winde blockieren.
Eine Folge der Kontinentalität sind auch die extremen Temperaturdifferenzen zwischen Sommer und Winter. Im Sommer führen Bewölkungsarmut und starke Einstrahlung z. B. in der Turpansenke zu Spitzenwerten von nahezu 50º C, im Winter fallen die Temperaturen auf unter -25º C, in der Mongolei sogar auf unter -40º C.
Das riesige Trockengebiet Zentralasiens gliedern Théodore Monod und der russische Wüstenforscher Petrov in folgende Wüsten: Dsangurei, Sinkiang, Gobi, Bejashan, Alashan, Ordos, Qaidam und Tibet.
Dsangurei
Diese Wüste ist eine Senke zwischen dem Altaigebirge im Norden und dem Tienshangebirge im Süden. In den tiefen Lagen ist das Relief wenig ausgeprägt, Regs, Salz- und Tonflächen sind vorherrschend..
Sinkiang
Wesentlich wüstenhafter stellt sich Sinkiang dar. Damit meinen Monod und Petrov nicht die heutige Autonome Provinz Sinkiang, sondern jenen 700.000 km² großen Wüstenraum, der sich zwischen Tienshan-, Pamir-, Kunlun- und Beishangebirge ausbreitet. Die dominierende geologische Struktur ist das Tarim-Becken, das zum Großteil von den Dünen der Takla Makan (320.000 km² Fläche) bedeckt wird. Sie machten die Takla Makan zu einem lange Zeit unzugänglichen Gebiet. Die Karawanen der Seidenstraße umgingen diese Wüste im Norden oder im Süden. 1895 überlebte der schwedische Forscher Sven Hedin den Versuch, sie zu durchqueren, nur knapp. Heute verläuft durch die Takla Makan eine Teerstraße, die Ölgebiete erschließt. Selbst der legendäre Endsee Lop Nor im Osten der Takla Makan, in den einst der Tarim mündete und der durch Sven Hedins Buch »Der wandernde See« Berühmtheit erlangte, ist nun schnell zu erreichen – sofern der Reisende nicht die Strahlenbelastung scheut, die auf chinesische Atomwaffenversuche am Lop Nor zurückgeht.
Oasenstädte wie Hotan, Kashgar oder Aksu liegen am Rand des Tarimbeckens, wo die Schmelzwasser des Pamir sowie des Kunlun- und Tienshangebirges sie mit genügend Wasser versorgen. Dies gilt auch für die Turpan-Oase mit ihren extremen Sommertemperaturen. Hier bringt ein Netz unterirdischer Kanäle (Qanate), insgesamt 5.000 km lang und ein Schutz vor Verdunstung, das Gebirgswasser vom nahen, schneebedeckten Tienshan auf die Felder, wo meist Weintrauben angebaut werden.
Gobi
Auf manchen Karten nimmt die Gobi fast den gesamten ariden Raum Zentralasiens ein, und die Takla Makan ist dort ein Teil der Gobi. Andere Geographen stellen beide Wüsten gleichwertig nebeneinander. Théodore Monod beschränkt die Gobi auf die eher steppenartigen Gebiete im Süden der Volksrepublik Mongolei und im Norden der zu China gehörenden Autonomen Provinz Innere Mongolei. Sie grenzt hier an die südlich gelegene Alashan-Wüste. Die Verwirrung um den Namen »Gobi« ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass der Begriff im chinesisch-mongolischen Raum kein Regionalname ist, sondern eine Landschaftsform beschreibt. Die für Zentralasien typischen Fels- und Geröllwüsten werden als »Gobis«, die Sandwüsten hingegen als »Shamos« bezeichnet
Die eigentliche Gobi stellt mehr eine Wüstensteppe als eine echte Wüste dar. Allerdings sorgen die zahlreichen, räumlich meist scharf abgegrenzten Dünengebiete, die in der Mongolei »Els« heißen, in manchen Teilen der Gobi für einen durchaus wüstenhaften Eindruck, wenngleich sie nur drei Prozent der Fläche ausmachen. Die Monotonie der Wüstensteppe wird durch zahlreiche Seen durchbrochen, die teilweise einen hohen Salzgehalt aufweisen. Die Gobi zeichnet sich durch extrem niedrige winterliche Temperaturen aus. An vielen Tagen steigt das Thermometer nicht über -40º C. Immer wieder folgt auf einen Dürresommer ein extrem kalter Winter, was zu hohen Verlusten bei den Pferde-, Schaf- und Kamelherden führt. Die Mongolen sprechen dann vom »Zud«.
Bejschan
Das Vorkommen bestimmter Pflanzen- und Tierarten wie auch die geologische Struktur haben Théodore Monod veranlasst, die Bejschan als eine weitere zentralasiatische Wüste zu klassifizieren. Dabei sieht Monod die meist gebirgige Bejschan-Wüste als Bindeglied zwischen Sinkiang und Gobi. Ihre Westgrenze liegt östlich des Lop Nor, südlich wird sie vom Nanschangebirge, nördlich von der mongolischen Grenze und im Osten vom Flusslauf des Edsin Gol abgegrenzt. Die aride, unwirtliche Landschaft wird heute von einer Schnellstraße erschlossen, die das östliche China mit der Provinz Singiang verbindet.
Alashan
Östlich der Bejschan-Wüste schließt sich die Alashan-Wüste an, die bis zum Gelben Fluss hinüberreicht. Im Norden geht sie bis zur mongolischen Grenze, im Süden bis zur Verlängerungslinie des Naschangebirges. Auch hier herrscht eine gewisse Begriffsverwirrung. Manche Wissenschaftler sprechen von der Alashan-Gobi und weisen die Alashan als Teil der Gobi aus, obwohl der Begriff »Gobi« im Sinne der Landschaftsform gemeint ist. Andere lehnen den Begriff »Alashan« ganz ab, da Shan ja »Gebirge« bedeutet, und teilen das Gebiet ein in Badain-Jaran- und Tengger-Wüste (mongolisch: »weiter Himmel«). Wir bleiben beim Begriff »Alashan« und blicken auf ihren Westteil. Dort wurde ein gewaltiges Dünenmassiv aufgeweht, dessen Megadünen mit bis zu 430 m Höhe zu den höchsten der Erde zählen. Inmitten der Dünen finden sich über 100 Seen unterschiedlichen Salzgehalts. Der tiefblaue, von gelben Dünen eingeschlossene See Yinderitu gilt der mongolischen Bevölkerung als heilig. An den Ufern des benachbarten Sees liegt das lamaistische Kloster Badan Jilin.
Ordos
Diese Wüste gleicht eher einer Steppe und wird vom Gelben Fluss in einem gewaltigen Bogen umrahmt. Die Ordos hat eine Fläche von 300.000 km² und weist von West nach Ost zunehmende Niederschläge auf, so dass die wirtschaftliche Nutzung von extensiver Viehhaltung zur Landwirtschaft übergeht.
Qaidam
Ebenfalls weitgehend unbekannt ist die Qaidam. Sie liegt nördlich des tibetischen Hochplateaus und ist auf Karten und Satellitenbildern deutlich als Becken zu erkennen. Die Chinesen sprechen von der Qaidam Pendi (chinesisch: »Becken«). Die Beckenbasis liegt zwischen 2.600 und 3.300 m Höhe, die umliegenden Gebirge sind bis zu 6.000 m hoch. Die Qaidam besitzt reiche Bodenschätze, unter anderem Erdgas, das für China nutzbar gemacht werden soll. Typisch für die Qaidam sind ihre Salzseen. Der bedeutendste Salzsee ist der Koko Nur, und zwar einmal wegen seiner Größe und zum anderen, weil er den Tibetern heilig ist. In manchen Jahren sind tausende Pilger unterwegs, um ihn zu umrunden. Dies hat die chinesische Regierung aber nicht daran gehindert, im See eine Basis für den Test von Unterwasserraketen zu errichten.
Tibet
Eine jener Regionen, die zwar vielfältige Assoziationen hervorrufen, aber kaum mit dem Betriff Wüste in Verbindung gebracht werden, ist Tibet. Dabei weisen gerade die westlichen und zentralen Teile Tibets alle Charakteristika einer Wüste auf. Wer von Nepal nach Tibet reist, erlebt, wie wirksam der indische Monsun durch den Himalaja abgeschirmt wird. Auf nepalesischer Seite sind die Hänge von dichtem Bergnebelwald bewachsen, und nördlich davon breitet sich das wüstenhafte Hochplateau Tibets aus. Den trockensten Teil Tibets stellt die Tschangtang-Wüste im Innern des Hochplateaus dar. In manchen Gebieten gibt es Dünen, auf einer Fläche von über einer Million km² steht aber kein einziger Baum.
Die Seidenstraße
Ein Begriff ist aufs Engste mit den Wüsten Zentralasiens verbunden und hat Wissenschaftler und Reisende seit jeher elektrisiert: die Seidenstraße. Das Wort wurde im 19. Jahrhundert von dem deutschen Geographen Ferdinand von Richthofen geprägt und beschreibt die jahrtausendealten Handelsbeziehungen zwischen China und dem Abendland. Die Seidenstraße war ein Handelsweg, ja, ein ganzes Netz von Wegen, die je nach Bestimmungsort der Waren, Sicherheitslage und Wettersituation von den Karawanen benutzt wurden, und sie hat über 1.000 Jahre lang existiert.
Die älteste Route führte nach Süden und verband China mit Indien und Südostasien. Die älteste nach Europa führende Route war die Nordroute. Sie ging von Gansu aus nördlich des Tienshangebirges in die Waldzone des südlichen asiatischen Russlands und weiter zur Mündung des Don am Schwarzen Meer.
Die südliche Karawanenstraße, der Richthofen den Namen »Seidenstraße« gab, war die jüngste der Seidenstraßen. Sie teilte sich in Dunhunag in zwei Arme auf: Der südliche Zweig führte über den Yangyuan-Pass ins Tarimbecken, gelangte über Loulan und Kothan nach Kashgar und von dort in den Pamir, wo dieser Handelsweg in einem Hochtal mit dem nördlichen Zweig zusammentraf. Der nördliche Zweig verließ chinesisches Gebiet am Jadetorpass, durchquerte die Turpan-Oase und gelangte über Kurla, Aksu und Kaschgar ins Pamir. Die vereinte Seidenstraße erreichte jenseits des Pamirs Baktra – das heutige Balkh in Afghanistan – und führte über Merw im heutigen Turkmenistan nach Palmyra im heutigen Syrien. Von hier wurden die Handelsgüter nach Alexandria, Attalaya (heute Antalya), Petra oder Rom gebracht. Dort schätze man die chinesische Seide derart, dass das Tragen von Seidengewändern 16 n. Chr. vom römischen Senat verboten wurde, um den Devisenabfluss zu stoppen. Die Seidengewinnung blieb 2.000 Jahre lang das Geheimnis der Chinesen und trug erheblich zur Stärke des chinesischen Reichs in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bei. Die Seidenstraße erlebte ihre Blütezeit, als die Großreiche Roms, Persiens und der Han- und Tangdynastien Chinas politisch so stabil waren, dass sie die Sicherheit von Händlern und Karawanen gewährleisten konnten.
Das heutige China reicht weit über die Grenzen des alten chinesischen Reichs hinaus. Die Innere Mongolei wurde 1947, Ostturkestan 1949 und Tibet 1950 besetzt und China angegliedert. Die Zugehörigkeit zu China hat die Entwicklung in den zentralasiatischen Wüsten entscheidend geprägt. Uyguren, Kirgisen, Usbeken, Kasachen, Tibeter und Mongolen – um nur einige der Völker zu nennen, die seit jeher in den zentralasiatischen Wüsten leben – sehen sich heute vielfältigen Repressionen von Seiten der chinesischen Regierung ausgesetzt. Wenn man sie auch nicht mit dem Terror zu Zeiten der Kulturrevolution vergleichen kann, ist ihre Wirkung doch unübersehbar. Die folgenreichste Maßnahme besteht in der massiven Ansiedlung von Han-Chinesen, die in der Provinz Sinkiang bereits die Hälfte der Bevölkerung stellen. Ehrgeizige Infrastrukturmaßnahmen wie der Ausbau von Schnellstraßen, Flughäfen und Eisenbahnstrecken unterstützen die Ansiedlung und erleichtern ebenso die Ausbeutung der Rohstoffe wie auch die militärische Kontrolle dieser Regionen.
In den zu China gehörenden zentralasiatischen Wüsten existieren gegenwärtig zwei Parallelwelten, und dies sowohl in wirtschaftlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Da sind einmal die Oasenbauern und Viehzüchter, die bis heute weitgehend traditionell leben und wirtschaften. Und da sind zum andern die überwiegend chinesischen Bewohner schnell wachsender Städte wie Korla, Hotan oder Hohot, die aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten in den Westen des Landes umgezogen sind. Im Vergleich zu ihnen führt die einheimische Bevölkerung in den Städten ein Schattendasein. Ihre alten Wohnviertel sind niedergerissen und durch chinesische Einheitsarchitektur ersetzt worden. Vor den Toren der Stadt stehen die Jurten oder Zelte der Viehzüchter – oftmals in Sichtweite der Wohnsilos.
Eine völlig andere Entwicklung ist in der Volksrepublik Mongolei zu beobachten. Nach dem Ende der Sowjetunion brach die ganz auf die Bedürfnisse des großen Nachbarn ausgerichtete Planwirtschaft zusammen. Viele Mongolen kehrten gezwungenermaßen zur traditionellen, extensiven Viehhaltung zurück, so dass in den Sommermonaten heute wieder 70 Prozent der mongolischen Bevölkerung in Jurten leben. Wer nun die Mongolei bereist, fühlt sich oftmals in die Zeiten Dschingis Khans zurückversetzt. Das Pferd ist nach wie vor das wichtigste Transportmittel in den Wüstensteppen der Gobi, und im Altai wird noch mit Adlern gejagt.
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