Von Klaus Gießner
Aufgrund zahlreicher Geländebefunde hat die geowissenschaftliche Saharaforschung in den letzten 40 Jahren ein modellhaftes Bild des Klima- und Landschaftswandels der Sahara entworfen, das zwar im Einzelnen noch lückenhaft und spekulativ bleibt, in seinen grundsätzlichen Aussagen jedoch ausreichend dokumentiert ist. So wissen wir heute, dass der größte Teil des Saharareliefs unter nicht trockenen Klimaten der Vorzeit gebildet wurde und der entscheidende Umbruch zur Aridität vor rund 3,1 bis 2,6 Millionen Jahren erfolgte. Seitdem haben sich der Grad der Trockenheit und die Grenzlinien der feuchteren Randzonen und Höhenregionen (Hoggar, Tibesti, Air) im Laufe der Entwicklungsgeschichte mehrfach verschoben, es ist aber kein prinzipieller Klimawandel eingetreten. In zeitlich-chronologischer Abfolge lassen sich im Lauf der Erdzeitalter folgende Entwicklungsphasen der Sahara ausgliedern:
Trias bis Kreide (vor 251 bis 65 Millionen Jahren)
In der Trias (vor 251 bis 208 Millionen Jahren) bedingen die zusammenhängenden Landmassen des alten Südkontinents »Gondwana« (Afrika, Südamerika, Antarktika und Australia) eine ausgeprägte Kontinentalität und Aridität. Im Jura (vor 208 bis 144 Millionen Jahren) beginnt der große Block Gondwanaland zu zerbrechen, die heutigen Südkontinente nehmen erste Konturen an. In der Kreide (vor 144 bis 65 Millionen Jahren) setzt sich die plattentektonische Entwicklung in Richtung auf die heutige Verteilung fort, Südamerika und Antarktika driften von Afrika ab. Im frühen Tertiär (vor 65 Millionen Jahren) ist die heutige Lage und Konfiguration der Kontinente fast erreicht, Afrika driftet aber um rund 15º weiter nach Norden.
Mittleres Tertiär (Eozän – Oligozän vor 55 bis 23,8 Millionen Jahren)
Im Eozän und Oligozän herrschen feuchttropische bis wechselfeucht-tropische Klimabedingungen vor, die zu einer intensiven, tropisch-feuchten Tiefenverwitterung und Bleichung der kristallinen Basementgesteine führen. Infolge des feuchten Tropenklimas wird das Flächenrelief der Sahara als tropische Rumpffläche angelegt. In der weiteren Entwicklung kommt es zur Ausbildung von Eisenkrusten an der Oberfläche.
Jüngeres Tertiär (Miozän – Pliozän vor 23,8 – 2,3 Millionen Jahren)
Die jungtertiäre Reliefgeschichte ist für die Entwicklung der Sahara eine ganz entscheidende Phase. Einmal werden die Sahara-Schilde tektonisch herausgehoben und mit einer vulkanischen Basaltdecke versehen, gleichzeitig wird ein Gewässernetz angelegt und großräumig ausgerichtet. Mit diesen Gebirgen und Gewässern bilden sich die Grundzüge der großen landschaftsbestimmenden Reliefkomplexe und die morphologische Catena (Reliefabfolge) heraus. Das Klima ist zunächst im Miozän randtropisch-wechselfeucht, wodurch die Verwitterung und randtropische Bodenbildung aktiviert werden. Die Vegetationsdecke entspricht der einer Feucht- bis Trockensavanne. Das zentrale Hoggarmassiv erhält damals einen Niederschlag von 600 bis 800 mm pro Jahr.
Im Pliozän wird das Klima generell trockener, die randtropisch-semiaride Landschaftsentwicklung – mit Trockensavannen – herrscht vor. Morphologisch bilden sich jetzt das Inselbergrelief, das Schichtstufenrelief, das Flächenstufenrelief – mit Hammada und Serir – und im Gebirgsvorland die Fußflächen – Pedimente und Glacis – heraus. Die Täler schneiden sich kastenförmig ein, die Hänge erhalten ihr typisches steil-konkaves, semi-arides Hangprofil.
Alt- und Jungpleistozän (vor 2,3 Millionen bis 12.000 Jahren vor Heute)
Wann in der Sahara der Übergang vom Tertiär zum Quartär erfolgt, darüber liegen noch keine absoluten Altersbestimmungen vor. Der Anfang des Altpleistozäns, das in das beginnende Quartär fällt, wird heute jedenfalls bei 2,3 Millionen Jahren vor heute angesetzt.
Die Klima- und Reliefentwicklung im älteren Pleistozän liegt noch etwas im Dunkeln. Gesichert sind ausgedehnte Schollenrutschungen an den Schichtstufenhängen der Beckenumrahmungen (z. B. am Westrand des Murzuk-Beckens im heutigen Libyen). Da sie nur in tief durchfeuchteten, schluffig-tonigen Schichten abgleiten können, müssen die Niederschläge in dieser Phase reichlich gewesen sein. Über ihre Höhe besteht noch keine endgültige Klarheit. Angenommen wird aber, dass die Schollenrutschungen mindestens 300 mm Jahresniederschlag und vorherrschenden Winterregen, also ein subtropisch-mediterranes Klima voraussetzen. Im Hoggar bilden sich die Paläo-Braunlehme. Ihr Entstehen ist entweder einem wechselfeucht-tropischen oder wiederum einem mediterranen Klimabild zuzuschreiben. Auch die erste Süßwasserseenphase um 120.000 vor heute fällt in die feuchtere Übergangsphase vom Altpleistozän zum Jungpleistozän. Die jungpleistozäne Entwicklung begann vor ungefähr 100.000 Jahren mit einer extrem ariden Periode (trockener als heute), in welcher der Passat deutlich an Windgeschwindigkeit zugenommen hat. Ausgeprägte Windschliffformen und die erste große Dünenbildung (die heutigen Draas) sind die Folgen. Die äußerste südliche Verbreitungsgrenze saharischer Dünen wird erreicht. In der weiteren Entwicklung des Jungpleistozäns kommt es 33.000 bis 30.000 vor heute zu der zweiten großen Süßwasserseenphase in den Stufenvorländern und vor allem in der tektonischen Depression des Tschadbeckens. Der riesige Paläo-Tschad, der wahrscheinlich aus einer Vielzahl miteinander verbundener Seen besteht, bildet sich. Seine genaue Ausdehnung steht noch nicht fest, die Angaben zur Größe der Seeflächen schwanken von 320.000 bis 1 Million km² bei einer Tiefe von 40 bis 50 m. Zum Vergleich: 1960 bedeckte der Tschadsee gerade einmal 20.000 km² und war nur 3,6 m tief. Daraus ist zu schließen, dass im hydrologischen Einzugsbereich des Paläotschad deutlich mehr Niederschläge gefallen sein müssen als heute in dieser Region zu erwarten sind. Das Klima war wohl halbfeucht bis halbtrocken. Diese zweite Seen- und Sumpfphase endet um 27.000 vor heute und wird von einer etwas trockeneren Phase abgelöst. Für die Zeit von 20.000 bis 12.000 vor heute wird eine zweite extreme Trockenperiode angenommen, und es hat eine zweite Dünenbildung stattgefunden. Diese jungpleistozäne Trockenphase muss aber von längeren Zeitabschnitten mit feuchterem Klima unterbrochen worden sein. Darauf weisen die Mittelterrassen hin, die in den Wadis aufgeschüttet wurden.
Holozän (von 12.000 vor Heute bis Heute)
An der Wende vom Pleistozän zum Holozän und im Frühholozän, zwischen 11.000 und 7.000 Jahren vor heute, sind eine weiträumige Ablagerung in Seen und eine verstärkte Wasserführung der Wadis feststellbar. Sie lassen darauf schließen, dass es in der ganzen Sahara, vor allem aber in ihrem südlichen und zentralen Teil, eine ausgeprägte Feuchtphase mit ausgedehnter Seenbildung und dichterer Vegetationsdecke gegeben hat. In den saharischen Hochgebirgen Hoggar, Tibesti und Air existierte eine reiche Flora mit mediterranen Gewächsarten in den höheren Vegetationsstufen. Die Niederschläge lagen in Höhenlagen bei über 600 mm im Jahr, und auch die Gebirgsvorländer waren deutlich feuchter als heute. Die Niederschlagsmengen hatten zur Folge, dass Abflüsse mehr Wasser führten, zum Teil periodisch bzw. saisonal, zum Teil sogar ausdauernd. Die dichtere Vegetation bot einer reichen Großwildfauna ausreichend Nahrung. Zahlreiche prähistorische Siedlungsreste und Felsgravuren belegen eine intensive Siedlungsperiode der Mesolithiker. Bei den Jagdtieren, die in den Felsgravuren dargestellt sind, handelt es sich überwiegend um Savannentiere wie Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Antilopen und Krokodile, die heute rund 1.000 km südlich der Sahara in der Trocken- und Feuchtsavanne ihren Lebensraum haben. Bubalus, ein heute ausgestorbner Wasserbüffel, hat dieser frühholozänen Felsbildperiode ihren Namen gegeben.
Um 7.500 vor heute setzte ein Klimaumschwung ein, der die jungholozäne Austrocknung der Sahara einleitete. Die meisten frühholozänen Seen trockneten aus oder versumpften zu flachen Gewässern mit stark schwankenden Wasserspiegeln der Brackwasserseen. Vor allem in den nördlichen Seen nahm der Salzgehalt zu, es kam zur Bildung von Salzpfannen, den Sebkhas.
Dieser Austrocknungstrend wird noch einmal, und zwar letztmalig, durch die jungsteinzeitliche »Neolithische Feuchtphase« von 6.500 bis 4.500 vor heute – mit einem Höhepunkt um 5.600 vor heute – unterbrochen. Ein erstes Indiz für dieses holozäne Klimaoptimum – den relativ warmen und feuchteren Zeitraum – stellt die neolithische Seenphase dar, in welcher der Paläotschad nochmals eine maximale Ausdehnung erreichte, ein zweites – morphologisch-sedimentologisches – Indiz ist die weite Verbreitung der Niederterrasse. Die Entwicklung in dieser Feuchtphase ist auch durch zahlreiche palynologische Befunde (Pollenanalyse) und paläobotanische Rekonstruktionen relativ gut nachzuweisen. Vergleicht man die Zusammensetzung und räumliche Anordnung der fossilen Pollenflora mit der heutigen aktuellen Vegetation, zeigt sich, dass die klimaökologischen Schwellenwerte zu einer qualitativ anderen Pflanzendecke nicht überschritten wurden. Zwar wurden auch Elemente einer feuchten submediterranen und mitteleuropäischen Flora aufgefunden, vor allem in den Gebirgspollenprofilen. Diese Funde erklären sich aber durch Pollenfernflug.
Die eindrucksvollsten Zeugen dieser neolithischen Feuchtphase sind prähistorische Felsmalereien und jungsteinzeitliche Siedlungsplätze. Auf den grasbestandenen, binnensaharischen Ebenen und um die Süßwasserseen herum, die sich auch in Dünengebiete hinein erstreckten, entfaltete sich eine großartige Hirtenkultur mit umherziehenden Nomaden und großen Rinderherden (»Rinderzeit«). Auch der Übergang zu sesshaften Ackerbauern und Fischern ist nachweisbar. Im Vergleich zu heutigen Gegebenheiten war die feuchte, neolithische Sahara klimaökologisch und kulturhistorisch ein Gunst- und Vorzugsraum. In zahllosen Felsmalereien wird dies eindrucksvoll belegt.
Die postneolithische Klimaentwicklung ist durch eine rasche Austrocknung gekennzeichnet. Um die Zeitenwende herum ist der hocharide Klimatypus erreicht, die Sahara wird zur extremsten Wüste der Erde. In den letzten 2.000 Jahren führten der Eingriff des Menschen und der Raubbau an den verbliebenen Standortspotenzialen dazu, dass sich die Lebensbedingungen für Mensch, Tier und Pflanze in der Sahara weiter verschlechterten. Welche Auswirkungen dieser Prozess auf die heutigen Wüstenbewohner hat, ist im Kapitel »Der Mensch in der Wüste« näher beschrieben.
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