Im Folgenden werden die für Wüsten charakteristischen Landschaftsformen vorgestellt. Sie gehen weit über das Klischeebild von unendlichen Sandmeeren hinaus, wenngleich die Dünengebiete die spektakulärste Landschaftsform der Wüste darstellen.
Gebirgsfussflächen
In vielen Wüsten sind so genannte Gebirgsfußflächen als typische Landschaftsform verbreitet. Sie umgeben alle höher gelegenen Reliefteile einschließlich der Berg- und Gebirgsregionen und stellen ein flächenhaft ausgebildetes Bindeglied zwischen den Gebirgen und Ebenen dar. Sie sind der Ort, wo der Ausgleich zwischen den höheren und tieferen Teilen des Wüstenreliefs stattfindet, der durch Abtragungsprozesse erfolgt. Sie bestehen aus oberem schuttfreiem Pediment und unterem, aus mächtigen Schotterkörpern aufgebautem Glacis. Wüsten mit Beckenstrukturen weisen naturgemäß zahlreiche Gebirgsfußflächen auf, so z. B. die Binnenbecken des Iranischen Hochlandes. In der zentralen Sahara sind besonders die Randzonen um die zentralen Gebirge als Gebirgsfußflächen entwickelt, in der Atacama finden sie sich am Fuß der Andenkordillere.
Schichtstufen
Bei Schichtstufen handelt es sich um Geländestufen im Bereich flach lagernder Gesteine wechselnder Widerständigkeit. Sie sind in Wüsten weit verbreitet, da diese oftmals große Sedimenträume umfassen, in denen die Schichten zum Teil durch tektonische Bewegungen leicht verstellt sind. Die meisten Schichtstufen wurden nach der tektonischen Aktivität im Tertiär angelegt. Im Pleistozän erfuhren sie eine zum Teil starke Überformung. Am Stufenfuß finden sich oftmals Depressionen, die zum Standort wichtiger Oasen geworden sind, z. B. die 150 km lange, etwa in Nordsüd-Richtung verlaufende Schichtstufe von Bilma mit den Kaouar-Oasen. Bei extremer Versandung verschwinden Stufen manchmal auch völlig. Bei ungestört horizontal lagernden Schichtpaketen können Schichttafelländer mit Mesas (Tafelbergen) und Zeugenbergen entstehen. Zeugenberge bleiben als Reste zurückgewichener Stufen in mehr oder weniger großer Entfernung vor dem Stufenrand erhalten.
Inselberge
Inselberge sind isolierte, sich meist mit scharfen Knick über Rumpfflächen erhebende Einzelberge. Sie können aus gleichem Gestein wie ihre Umgebung bestehen (echter Inselberg) oder Strukturformen (Härtlinge) darstellen. Neben den Talsystemen gehören Inselberge zu den auffälligsten Elementen in den Trockengebieten, stammen aber wie diese aus feuchteren Zeiten.
Trockenflüsse
Die heutigen Trockentäler der Wüste erhielten im ausgehenden Tertiär und im Pleistozän ihre derzeitige Form. Nach Regenfällen werden sie aber nach immer noch weitergebildet. Die Trockentäler haben ihren Ursprung in Gebirgen und Stufenländern. In den obersten Einzugsgebieten kommt es zur Erosion, im Fußbereich der höheren Gebirge und deren Vorland zur Akkumulation von mitgeführtem Material. Das feinere Material wird weiter bis in die Senken transportiert und füllt diese durch Sedimentation auf. In den wenigsten Fällen entwässern die Trockenflusstäler in einen Ozean; das Abflussregime ist vielmehr endoherisch, d. h. es handelt sich um eine Binnenentwässerung innerhalb der jeweiligen Wüste. Typisch für Trockenflusstäler ist ihr kastenförmiger Querschnitt. Trockenflusstäler sind unter verschiedenen regionalen Namen bekannt, so heißen sie im saharo-arabischen Raum Wadis oder Qued, in Teilen des Sahel Kori, in Namibia Reviere, in den USA Wash.
Senken und Pfannen
Die Häufigkeit von Senken oder Pfannen in der Wüste ist Ausdruck einer hydrographischen Ordnung, die keinen Zugang zum Meer hat und sich daher in eine Reihe geschlossener Becken aufteilt. Bei den diversen Klassifizierungen von Senken und Pfannen spielen der Anteil von Oberflächenabfluss und Grundwasserzufluss oder auch die Oberflächenbeschaffenheit eine Rolle. Es gibt Ton- und Salzpfannen. Ihnen gemeinsam ist ihre Abflusslosigkeit. In der Geographie hat sich für Ton- und Salzpfannen der Begriff »Sebkha« eingebürgert. Unter verschiedenen lokalen Namen sind sie in allen Wüsten zu finden: In den Ländern des Maghreb spricht man von Schotts, in der übrigen Sahara von Sebkhas, in Asien von Kaviren und Takyrs, im südlichen Afrika von Vleis. In den USA heißen sie Playas, Bolson oder Sink, in Südamerika Salars oder Salinas, in Australien Lakes.
Serire und Regs
Diese Landschaftsformen heißen in der westlichen Sahara Reg, in der zentralen Sahara, insbesondere in der Libyschen Wüste, Serir. Deutsche Wüstenforscher wie Wolfgang Meckelein möchten die beiden Begriffe aber nicht gleichsetzen. Die Regflächen der westlichen Sahara seien sand- und kiesbedeckte Ebenen großer Ausdehnung, während Serirflächen vor allem die sedimenterfüllten, riesigen Vorlandebenen der zentralsaharischen Gebirgsmassive umfassen. Geographen anderer Länder trennen Serir nicht von Reg und verwendet nur letzteren Begriff. Serir ist ein Berberwort für eine vegetations- und ausdruckslose Kiesfläche ohne größere Steine. Die Kiesel, meist Quarze und Quarzite, sind durch längeren fluvialen Transport zugerundet. Sie stammen aus den großen tertiären und pleistozänen Flusssystemen, sind also Altformen. Der heutige, typische Charakter der Serire ist dann später unter vollariden Bedingungen durch Deflation entstanden. Auf den Serirflächen wirkt aber auch Korrasion mit Windkanterformung.
Hammadas
Das Wort »Hammada« stammt aus dem Arabischen und bezeichnet ein höher liegendes Flachrelief. Nach Monod existieren Hammadas nur auf Gebirgsplateaus, für andere Geographen sind sie unabhängig vom Relief. Meckelein gliedert in Kalkstein-, Sandstein- und Basalt-Hammadas, die sich nach Farbe und Blockgröße unterscheiden. Während es sich bei den Flächen selbst um Altformen handelt, ist die Hammada, ihre Oberfläche, das Produkt der ariden Morphodynamik (Reliefbildung). Dabei herrschen Prozesse der Frostverwitterung und Salzsprengung vor. Hammadas sind die in Wüsten am weitesten verbreitete Landschaftsform.
Dünen und Ergs
Viele Menschen stellen sich die Wüste als ein endloses Sandmeer vor, das sogar als Synonym für Wüste gilt. Dabei sind Dünenlandschaften (Ergs) nur ein Element von vielen, in der Sahara machen sie 20 Prozent der Fläche aus. Da sich außerhalb arider Regionen kaum Dünen finden, sind sie dennoch charakteristisch. Wer im Flugzeug über einen Erg fliegt, wird sich unweigerlich die Frage stellen, woher die ungeheuren Sandmengen stammen. Z. B. hat das Libysche Sandmeer eine Fläche von 65.000 km² und besitzt 1.000 km3 Sand. Schon dem deutschen Geographen Albrecht Penck waren 1909 die Beckenlage der riesigen Dünenfelder und ihre häufige Nachbarschaft zu Flusssystemen aufgefallen. Tatsächlich liegen viele Dünengebiete im Endabschnitt größerer Abflusssysteme. Zweifelsfrei nachweisbar ist die fluviale Herkunft bei den Sanden der Takla Makan, da sie je nach Einzugsbereich der Flüsse unterschiedliche Schwermetallspektren aufweisen. Aber auch ins Meer entwässernde Flüsse sind häufig Sandquellen, da ihre Ablagerungen aus den Mündungsbereichen bei Niedrigwasser ausgeblasen werden. Von den 100 t Sediment, die der Oranje aus Südafrika jährlich zum Atlantik transportiert, sind 25 bis 50 Prozent Sande, sie stellen einen Teil der äolischen Namibsande. Größere Mengen Sand können aber auch direkt aus dem Verfall bzw. der Verwitterung von Sandsteinen mit passendem Korngrößenspektrum stammen. Der Wind nützt also den vor Ort vorhandenen Sand, um die Düne zu formen, aber er produziert ihn nicht.
Zwischen Dünen und Ergs gibt es einen wichtigen Unterschied: Dünen sind Vollformen aus Sand, die auch heute noch gebildet werden. Die großen Ergs bestehen hingegen aus Draas. Das sind Altformen, die in früheren Zeiten bei viel höheren Windgeschwindigkeiten entstanden sind und heute nicht mehr weiterentwickelt werden. Auf den Draas der Sandmeere befinden sich aber Dünen.
Was die Dünen angeht, so unterscheidet die im Bereich der Dünenforschung führende Geographin Helga Besler zwischen gebundenen, freien und komplexen Formen.
Gebundene Dünen entstehen an Hindernissen. Sie bilden sich als Parabeldünen im Lee von Deflationswannen, indem der ausgeblasene Sand von der Randvegetation abgefangen wird. Größere Büsche können auch sonst als Sandfänger wirken, wobei die Ablagerung in Luv und Lee und auch im Busch erfolgt. Sandverträgliche Pflanzen bilden im Sandkörper Wurzeln aus und wachsen in die Höhe. So entstehen hügelartige Nebkas. Hinter den Nebkas oder hinter Hügeln bilden sich Leedünen. Der Sandstrom teilt sich im Luv, im Lee treffen die Strömungen schräg aufeinander. So kommt es zur Ablagerung eine oftmals mehrere Kilometer langen länglichen Sandkörpers mit einem Grat oder Kamm in der Mitte.
Bei den freien Dünen kommt es auch ohne Hindernisse zu Sandakkumulationen. Zunächst entstehen im Lee von Bodenwellen kleine Sandschilde. Sobald diese eine Höhe von einigen Dezimetern erreicht haben, bildet sich auf der Leeseite ein Rutschhang aus, zwischen Luv- und Leehang entsteht quer zur Transportrichtung ein scharfer Kamm. Am 10 bis 15 Grad geneigten Luvhang wird der Sand durch Saltation aufwärts getrieben und unmittelbar hinter dem Kamm abgelagert – bis zur nächsten Rutschung. So kommt es zur Umwälzung der gesamten Sandmasse. Da diese an den flachen Schildrändern schneller geschieht als an den Scheiteln, bilden sich in Bewegungsrichtung kleine, immer länger werdende Hörner aus. Es entsteht die typische Halbmondform der Barchane oder Sicheldünen. Barchane sind die einzigen echten Wanderdünen, bei denen die gesamte Sandmenge unter Umwälzung transportiert wird. Eine einheitliche Windrichtung und ein fester vegetationsloser Untergrund vorausgesetzt, können sich Barchane am Tag um 30 cm verlagern. Die Symmetrieachse ist immer die Transportrichtung. Weniger gut kennt man die Entstehungsbedingungen freier Längsdünen (Sifdünen) und die damit verbundene Strömungsdynamik. Sif ist eine Einzeldüne mit einer Kammlinie, die annähernd parallel zur Hauptwindrichtung verläuft. Wie der Name andeutet – Seif heißt arabisch »Säbel« – verlaufen die Kämme nie geradlinig, sondern stets leicht gebogen. Sifdünen liegen in Regionen mit zwei, meist saisonal wechselnden Winden.
Komplexe Dünen setzen sich aus Barchanen und Sifdünen zusammen, wobei sowohl komplexe Transversaldünen als auch komplexe Längsdünen entstehen.
Die großen Ergs stellen die wohl spektakulärste Landschaftsform innerhalb der Wüsten dar.
Ergs werden nicht wie vielleicht erwartet aus Dünen, sondern aus Draas aufgebaut. Draas sind Riesendünen – bis zu 400 m hoch –, die als Vorzeitformen heute nicht mehr weitergebildet werden. Die Entstehung von Ergs war schon immer Anlass für Spekulationen. Verantwortlich machte man Flugsandstau beim Aufeinandertreffen zweier großer Windsysteme. Die langen geraden Sandrücken wurden als Überbleibsel von Erosionsfurchen in den Gassen gedeutet. Die heutige Forschung ist der Überzeugung, dass nur das Modell der gegenläufigen Doppelhelix aufzeigt, wie die Draas und alle dabei zu beobachtenden Phänomene entstanden sind: Das Modell – ein kompliziertes Strömungsmodell – erklärt, weshalb die Abstände zwischen den Draas gleichmäßig im Kilometerbereich liegen, warum Ergs bei unebenem Gelände aussetzen und wieso es keine kleinen Ergs geben kann. Die Ursachen stehen im Zusammenhang mit dauerhaft hohen Windgeschwindigkeiten, die während der Eiszeiten aufgrund höherer Temperaturunterschiede existiert haben, heute aber auf der Erde nicht mehr vorkommen. Damit ist auch geklärt, warum die Draas nicht mehr weitergebildet werden. Die Vorstellung, dass Dünenmeere ähnlich Ozeanen dauernd in Bewegung sind, ist also genauso falsch wie die, dass es sich bei den Wüsten um ehemalige Meeresböden handelt.
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