Die Wüsten Amerikas

Die Wüsten Nordamerikas


Nordamerika weist mit der Chihuahua Desert, der Mojave Desert, der Sonora Desert und der Great Basin Desert vier Wüstengebiete auf. Weil sie gut zugänglich sind, gehören sie zu den besterforschten Wüsten der Welt. Entsprechend groß ist die Menge an Literatur und Kartenmaterial. Man wird aber kaum zwei Karten, Aufsätze oder Bücher finden, in denen sich die Grenzen der einzelnen Wüsten decken. So werden die Wüstennamen nicht nur für geologisch-tektonische Einheiten, sondern auch für vegetationsgeographische Regionen gebraucht. Hinzu kommt, dass amerikanische Geographen den Begriff »desert« wesentlich großzügiger auslegen als ihre europäischen Kollegen, die mit der Sahara eine »echte« Wüste vor den Toren Europas haben. Auch die in amerikanischen Darstellungen übliche Unterscheidung zwischen der »high desert« und »low desert« ist in Europa nicht gebräuchlich.

Die Trockenheit der nordamerikanischen Wüsten wird vor allem von den Großstrukturen des Reliefs bestimmt. Dadurch, dass die Kordilleren im Südwesten der USA besonders weit auseinander treten, wird zwischen den beiden Hauptsträngen, dem pazifischen Gebirgssystem im Westen und den Rocky Mountains im Osten, die Intermontane Zone geschaffen. Sie setzt sich aus Hochplateaus und Becken zusammen.
Das pazifische Gebirgssystem hält feuchte Pazifikluft wirksam ab, so dass die Niederschläge im Lee Werte einer Wüste erreichen. Der gleiche Effekt ist im Hochland von Mexiko zu beobachten, wo die Sierra Madre Occidental feuchte Pazifikluft abschirmt. Hier wird die Trockenheit noch durch die Lage am Wendekreis verstärkt.

Das Relief ist sowohl in der Intermontanen Zone der USA wie auch im Hochland von Mexiko durch die Basin-Range-Struktur geprägt. Sie zeichnet sich durch lang gestreckte Gebirgsketten (ranges) und dazwischen liegende Beckenzonen (basins) aus. Die Becken erhalten durch ihre Lage im Lee der Gebirgsketten nur wenige Niederschläge. Das trifft auf den größten Teil der nordamerikanischen Wüsten zu.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Trockenheit der Halbinsel Niederkalifornien nicht nur auf ihre Lage am nördlichen Wendekreis zurückzuführen ist, sondern auch durch den kalten Niederkalifornien-Strom verursacht wird.


Chihuahua

Nach dem gleichnamigen Staat in Mexiko benannt, ist die Chihuahua diejenige der nordamerikanischen Wüsten, die am weitesten nach Süden reicht. Südlich des Rio Grande umfasst sie das große, nach Süden rasch ansteigende mexikanische Hochland und ist von den Hochgebirgszügen der Sierra Madre Oriental und der Sierra Madre Occidental eingeschlossen. Etwa ein Drittel der Chihuahua reicht über die große Schleife des Rio Grande nach Norden hinauf, breitet sich im Südwesten von Texas aus und ragt mit zwei Sporen in das südliche Neumexiko hinein. Der mexikanische Teil der Chihuahua ist trockener, denn über dem Wendekreis führen absinkende Luftbewegungen in Verbindung mit dem Relief zu Regenarmut. An der Westseite der Wüste hindert die Sierra Madre Occidental die Winterstürme, die im Golf von Kalifornien entstehen, in die Chihuahua vorzudringen. Ähnlich verhält es sich im Osten: Die hohe Sierra Madre Oriental versperrt Winden aus dem Golf von Mexiko den Weg in die Wüste, und nur in den Sommermonaten überwinden Stürme die Höhen der Sierra und bringen Niederschläge.
Die Chihuahua-Wüste weist mehrere Vegetationsformen auf: die welligen Grasländer der vulkanischen Böden, die Kreosotbusch-Ebenen, die Kaktus-Savannen und die Agavenbestände der Kalksteinböden.
Die ungewöhnlichste Landschaft findet sich im Tularosa-Becken in Neumexiko: Über eine Fläche von 770 km² dehnt sich dort das Dünenfeld von White Sands aus. Die Dünen sind schneeweiß, und ihr Sand besteht aus Gips, nicht aus Quarz. Obwohl das Mineral Gips in jeder Wüste vorkommt, existiert nirgendwo sonst auf der Erde ein so ausgeprägtes Gipsdünenfeld. Nach der Absenkung des Tularosa-Beckens entstand ein großer See, in den sich die Flüsse aus den umliegenden Bergen ergossen. Ihr Wasser brachte gelöste Mineralien mit, vor allem Gips. Nach dem Ende der letzten Eiszeit trocknete der See aufgrund der ansteigenden Temperaturen aus. Bei der Verdunstung fiel der Gips aus, und es bildeten sich Gipskristalle, die der Wind bis zum heutigen Tag zu Dünen auftürmt. An das Leben in den Gipsdünen haben sich über 60 Pflanzenarten angepasst.


Sonora

Im Westen der Chihuahua liegt die Sonora-Wüste. Sie ist 320.000 km² groß und erstreckt sich vom südöstlichen Kalifornien und südwestlichen Arizona hinab zum 24. Grad nördlicher Breite. Dabei umfasst sie beide Seiten des Golfs von Kalifornien. So gehören die Westhälfte der gleichnamigen mexikanischen Provinz und fast die gesamte Halbinsel Niederkalifornien zur Sonora-Wüste. Die Höhenlage variiert stark: Sie nimmt von der Küste Niederkaliforniens im Westen bis zum Ostrand kontinuierlich zu und erreicht bis zu 3.000 m ü. NN. Entsprechend unterschiedlich sind die Temperaturen, gleichwohl wird die Sonora gemeinsam mit der Chihuahua-Wüste zu den warmen Wüsten gerechnet. Die Niederschläge, die im Winter von den Stürmen über dem Pazifik, im Sommer aus dem Golf von Mexiko stammen, liegen zwischen 150 und 300 mm pro Jahr.
Die auf zwei Jahreszeiten verteilten Niederschläge ermöglichen die auffällig reiche und fein gegliederte Vegetation der Sonora Desert. Sie besitzt weltweit die größte Anzahl von Kakteen und mit 27 Arten auch die größte Vielfalt. Die höchsten sind die sich wie Säulen erhebenden Saguaro-Kakteen und der Orgelpfeifen-Kaktus.
Der Nordteil der Sonora Desert ist unter dem Namen Colorado Desert bekannt. Er gehört zwar zu den trockensten Regionen der Sonora Desert, doch können dank der Wassermengen, die der Colorado kurz vor seiner Mündung in den Golf von Kalifornien führt, weite Gebiete bewässert werden. Der Golf von Kalifornien trennt die 1.300 km lange Halbinsel Niederkalifornien (Baja California), die über den Wendekreis nach Süden hinausreicht, vom mexikanischen Festland.


Mojave

Nördlich an die Sonora-Wüste schließt sich die Mojave-Wüste an. Unter den nordamerikanischen Wüsten ist die Mojave-Wüste die kleinste, hat jedoch die größten Höhenunterschiede. Sie liegt zum überwiegenden Teil Südostkalifornien und reicht in das südliche Nevada und westliche Arizona hinein. Selbst ein Bergland, ist die Mojave umgeben von hohen Gebirgen, im Westen von der Sierra Nevada, im Süden von den San Bernadino Mountains, die sie von der dort angrenzenden Sonora-Wüste trennen. Im Norden und Nordosten liegen niedrige Bergzüge, welche die Grenze zur Great Basin Desert bilden. Die Sierra Nevada und die San Bernadino Mountains riegeln die Mojave fast vollständig von den feuchten Pazifikwinden ab; nur wenige Winterstürme überwinden diese Barrieren. So hat sie den geringsten Niederschlag aller nordamerikanischen Wüsten. In Barstow werden gut 100 mm jährlich registriert, im Death Valley gerade einmal 40 mm. Hier wurde im Juli 1913 die bis heute höchste registrierte Temperatur von 57º C im Schatten gemessen.

Geologisch gesehen ist das 200 km lange, 10 bis 59 km breite Death Valley ein Graben – ein Stück Erdkruste, das an zwei Seiten entlang von Verwerfungszonen abgesunken ist. Das Störungssystem, zu dem das Death Valley gehört, ist noch heute in Bewegung. So erklären sich auch die enormen Höhenunterschiede: Im Death Valley liegt mit 86 m unter dem Meeresspiegel der tiefste Punkt Amerikas, von dem aus sich der Blick auf den 4.418 m hohen Gipfel des Mt. Witney öffnet. Das Death Valley hat dann auch außergewöhnlich abwechslungsreiche Landschaften zu bieten: Salzseen, farbenprächtige Canyons, Sanddünen und als Playas bezeichnete Lehmpfannen finden sich auf engstem Raum. Eine der Playas im Death Valley beherbergt ein weltweit einzigartiges Naturphänomen: Am Ende von 2,5 cm tiefen, oft hunderte von Metern langen Spuren finden sich große Gesteinsbrocken (der größte wiegt 45 kg). Der Umriss der Steine und die Form der Spuren lassen keinen Zweifel daran, dass die Steine diese in den Ton geritzt haben. Die Ursache der Wanderung – die Steine wandern vom Rand der Playa ins Zentrum – ist noch Thema wissenschaftlicher Debatten. Eine These lautet, dass nach starken Regenfällen – wenn die Playa-Oberfläche schlüpfrig ist – ein heftiger Wind die Steine über die Oberfläche treibt. Allerdings ist dies noch von niemandem beobachtet worden. Die Mojave-Wüste liegt überwiegend in Höhen von 600 bis 1.200 m. Während in den tiefen Lagen Kreosotbüsche das Landschaftsbild beherrschen, wächst weiter oben die auffälligste Pflanze der Mojave-Wüste, der Joshua Tree. Diese Yuccaart, die nur in der Mojave vorkommt, entwickelt einen Stamm, der sich oft schon kurz über der Basis verzweigt. Am Ende eines jeden Astes treten die kurzen, spitzen, rundlich gezackten Blätter büschelförmig zusammen. Yoshua Trees werden bis zu zwölf Meter hoch und kommen meist in großen Beständen vor.


Great Basin Desert

Nördlich der Mojave-Wüste schließt die Great Basin Desert an. Ihr Name geht auf ihre Lage im Großen Becken zurück, eine durch Gebirge im Osten und Westen eindeutig begrenzte Teilregion der Intermontanen Zone. Hier ist die Basin-Range-Struktur am stärksten ausgeprägt: Zahlreiche bis zu 3.000 m hohe Gebirgsketten, verlaufen von Norden nach Süden und wechseln sich mit weiten Teilbecken ab.
Als größte zusammenhängende Wüste Nordamerikas erstreckt sich die Great Basin Desert auf das nordöstliche Kalifornien, den größten Teil Nevadas und Utahs und Teile des südöstlichen Oregons. In den 1.000 bis 1.500 m hoch gelegenen Becken wächst eine von Wermut dominierte Kleinstrauchsteppe, Sagebrush genannt, die in den trockensten Gebieten vom Saltbush abgelöst wird. Das größte Teilbecken der Great Basin Desert liegt im Osten, dort nehmen der Große Salzsee und die ihn umgebende Wüste ausgedehnte Flächen ein. Der Große Salzsee ist der Rest eines während der Eiszeit viel größeren Sees, des Lake Bonneville.
Obwohl geologisch völlig anders geartet als die Basin Range Province des Großen Beckens, werden oftmals auch Teile des Colorado-Plateaus zur Great Basin Desert gerechnet. Das östlich des Großen Beckens gelegene, rund 2.000 m hohe Colorado-Plateau weist kaum Ähnlichkeiten mit den übrigen Wüstengebieten Nordamerikas auf. Das eigentliche Plateau hat eine Größe von 330.000 km² und gliedert sich in Hochebenen und Plateaus, die durch steile Böschungen und Stufen voneinander getrennt sind. Hier finden sich die spektakulärsten Landschaften Nordamerikas, die jedes Jahr Millionen von Besuchern anziehen.

Die Lebensverhältnisse in den Wüsten Nordamerikas sind höchst verschieden. Hauptursache ist die unterschiedliche Wirtschaftskraft der beiden beteiligten Länder Mexiko und USA, die Jahr für Jahr hunderttausende Mexikaner veranlasst, den durch die Sonora- und Chihuahua-Wüste verlaufenden Sperrzaun zu überwinden. Die eklatanten sozialen Unterschiede innerhalb der USA sind ebenfalls augenfällig. Der Sun Belt Arizonas zieht mit 300 Sonnentagen im Jahr wohlhabende Bürger aus allen Teilen der Vereinigten Staaten an, wobei die Senioren unter ihnen sich vorzugsweise in einer »Adult City« niederlassen. Auf den künstlich bewässerten Rasenflächen spielen garantiert keine Kinder, sie dürfen dort gar nicht wohnen. In starkem Kontrast dazu stehen Millionen von Motorhomes, die auf Dauercampingplätzen oder in der Wüste – dann meist von Schrottautos umgeben – einen Standplatz gefunden haben.

Die meisten Bewohner der Wüsten Nordamerikas sind weit davon entfernt, die Wüste als ihren Lebensraum zu akzeptieren. Sie versuchen vielmehr, die als widrig empfundenen Begleiterscheinungen wie die sommerliche Hitze mit Hilfe aufwändiger Technik zu minimieren. Dies gilt insbesondere für Millionenstädte wie Las Vegas und Phoenix, deren enormer Wasser- und Strombedarf durch eine Vielzahl von Staudämmen sichergestellt wird. Phoenix erhält sein Wasser aus dem Lake Mead, einem Stausee am Colorado River, und Strom vom Hoover-Damm-Kraftwerk, das auch Los Angeles und Las Vegas mit Energie versorgt.

Völlig gegensätzliche Lebensbedingungen herrschen in den Indianer-Reservaten, die zumeist auf dem Colorado-Plateau angesiedelt sind. Das größte ist das Navajo-Reservat, welches das Hopi-Reservat umschließt und sich über Arizona nach New Mexiko, Utah und Colorado ausstreckt. Die Situation in den Indianer-Reservaten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, um die Indianer von den für weiße Siedler günstigen Gebieten fernzuhalten, später dann auch einen gewissen Schutz bieten sollten, ist von großen sozialen Problemen und Perspektivlosigkeit geprägt. Zusätzlich führt der Bevölkerungsdruck zur Überstockung der bereits erheblich degradierten Weiden.