Ein Blick vom Weltraum auf den Erdball macht den hohen Anteil von Wüsten und Halbwüsten an der Landoberfläche deutlich. In zwei Gürteln, einem nördlichen und einem südlichen, scheinen sie den Erdball zu umspannen. So liegen zwischen dem 20. und 40. Breitengrad in der nördlichen Hemisphäre die nordamerikanischen Wüsten und Halbwüsten, die Sahara, die arabischen, die mittelasiatischen und zentralasiatischen Wüsten und in der südlichen Hemisphäre die chilenisch-peruanischen Wüsten, die australischen und südwestafrikanischen Wüsten. Die Existenz dieser doppelten Ariditätszonen im Norden und Süden fiele noch stärker ins Auge, wenn sich die Klimakarten auch auf die Oberfläche der Ozeane erstrecken würden, denn eigentlich würden sich die Wüsten auf den Westseiten der Kontinente über gewaltige Entfernungen auf dem Meer fortsetzen.
Der doppelte Wüstengürtel um die Erde verläuft aber nicht ohne Unterbrechungen und auch nicht parallel zum Äquator, sondern er zeichnet Diagonalen: Auf der Nordhalbkugel verläuft sie von Mauretanien bis zur Gobi in der Alten Welt, auf der Südhalbkugel befindet sich die südamerikanische Trockendiagonale.
In diesem Kapitel werden die klimatischen Vorgänge beschrieben, die Trockenheit bewirken und dadurch Wüsten schaffen. Kennt man die Ursachen, wird auch die räumliche Verteilung der Wüsten auf der Erde verständlich.
Oftmals sind mehrere der nachfolgend erläuterten klimatischen Vorgänge miteinander verschränkt, wodurch Trockenheit verstärkt werden kann. Genauso kann Trockenheit durch bestimmte Druck- und Windverhältnisse abgeschwächt werden, denn die klimatischen Verhältnisse auf der Erde sind viel zu kompliziert, um einfachen Modellen zu folgen. Die für das Verständnis des Weltklimas so wichtige Theorie der atmosphärischen Zirkulation ist überaus komplex, man darf sie sich nicht eindimensional vorstellen, sondern muss sie sich dreidimensional im Raum denken.
Wendekreiswüsten
Die Wendekreise sind jene beiden Breitengrade, über denen die Sonne einmal im Jahr zum Sommeranfang (21. 6. Nordhalbkugel, 22. 12. Südhalbkugel) senkrecht steht. Sie liegen auf 23,5º nördlicher bzw. südlicher Breite und trennen die Tropen von den Subtropen. Auch wenn das von den beiden Wendekreisen eingeschlossene Gebiet als »Tropen« bezeichnet wird, sind für die Wendekreise keineswegs tropische Verhältnisse kennzeichnend. Vielmehr herrscht dort Trockenheit. Lange Zeit wurden dafür ausschließlich die Passatwinde verantwortlich gemacht, und erst in den letzten Jahrzehnten ist der Einfluss des Ostjets (Höhenströmung) auf die Trockenheit der Wendekreiswüsten Sahara und Arabiens erforscht geworden. Doch zunächst zu den Passatwinden, den schon aus den Tagen der Segelschiffart bekannten stetigen Winden in den Breiten der Wendekreise. Sie gehören zum tropischen Kreislauf der allgemeinen Zirkulation der Atmosphäre und entstehen als Druckausgleich zwischen dem subtropischen Hochdruckgürtel und der äquatorialen Tiefdruckrinne.
Auch wenn die Darstellung der globalen atmosphärischen Zirkulation hier den Rahmen sprengen würde, möchte ich doch kurz das für die Entstehung von Wendekreiswüsten wichtige Element erläutern, die so genannte Hadley-Zelle: Über dem Äquator steigen erwärmte, wasserreiche Luftmassen auf, kühlen dabei ab und regnen sich über dem Äquator aus. In der Höhe strömen die Luftmassen vom Äquator zu den beiden Wendekreisen. Über ihnen kommt es in Höhen von zehn bis zwölf km zu einer Luftmassenakkumulation. Wegen der Tropopause, einer undurchdringlichen Inversionsschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre, können die Luftmassen nicht nach oben ausweichen. Die sich in der Höhe sammelnden Luftmassen erhöhen den Luftdruck am Boden also erheblich und sinken allmählich nach unten ab. Mit dem Höhenverlust der unterhalb der Tropopause akkumulierten Luftmassen ist eine Druckzunahme und damit wiederum eine trockenadiabatische (ohne Wärmeaustausch) Erwärmung dieser Luftmassen verbunden. Die relative Luftfeuchtigkeit sinkt, Kondensation und Wolkenbildung sind unter diesen Umständen ausgeschlossen.
Die trockenen Luftmassen strömen sodann als bodennaher, extrem trockener Passatwind in die äquatoriale Tiefdruckrinne zurück. Die durch die Erddrehung verursachte Corioliskraft lenkt die Passatströmung ab, so dass auf der Nordhalbkugel der Passatwind aus Nordost, auf der Südhalbkugel aus Südost weht. Dieser innere Passatkreislauf ist als Hadley-Zirkulation bekannt. Die Passate als Teil von ihr sind nach klassischer Interpretation für die Aridität der Wendekreisbereiche verantwortlich.
Die Wendekreiswüsten nehmen das größte Areal unter den Wüsten der Erde ein. Hierzu gehören große Teile des Altweltlichen Trockengürtels, der sich von der Sahara über die arabische Halbinsel bis hin zur Wüste Thar in Indien und weiter nach China zieht. Hierzu gehören auf der Südhalbkugel fast ganz Australien sowie die Kalahari und die Karoo in Südafrika. Die Ursachen für diese Wüsten sind also nicht im Relief zu suchen, sondern sie hängen direkt mit der globalen atmosphärischen Zirkulation und den daraus resultierenden Klimazonen zusammen. Man nennt sie daher »zonale Trockengebiete«.
Seit langer Zeit schon ist bekannt, dass die Aridiät am nördlichen Wendekreis bedeutend größer ist als am südlichen. In der Sahara steht Niederschlägen von 5 bis 20 mm pro Jahr eine potentielle Verdunstung von bis zu 5.000 bis 6.000 mm pro Jahr gegenüber. In Australien sind es mehr Niederschläge – mindestens 100 mm jährlich –, aber nur 2.400 mm potentielle Verdunstung, und in der Kalahari handelt es sich sogar um 200 bis 400 mm Niederschläge pro Jahr, die nur 2.000 mm potentieller Verdunstung gegenüberstehen. Die klassische Klimaforschung führte dieses Phänomen auf die größere Landmasse der Nordhalbkugel zurück: Die daraus resultierende Kontinentalität (siehe unten) soll demnach die extrem hohen Temperaturen und das stärkste Höhenhoch der Erde über der Sahara verursachen. Was aber nicht richtig ist, denn das stärkste Höhenhoch liegt über Südtibet. Zweitens hieß es, der afrikanische Nordostpassat (Harmattan) sei deshalb so trocken, weil er weite Strecken lang über Land wehe. Nun haben aerologische Untersuchungen aber ergeben, dass Strömungen über Nordafrika, die nichts mit dem Passat zu haben, im Sommer ebenfalls stabil geschichtet und trocken sind. Die stärkere Kontinentalität der Nordhalbkugel spielt also gewiss eine Rolle, reicht aber für die Erklärung der stärkeren Aridität nicht aus. In den 1960er-Jahren gelang es dem Bonner Klimatologen Hermann Flohn, den Einfluss des Ostjets auf die extreme Trockenheit der Sahara und Arabiens nachzuweisen:
Im Sommer entsteht aus dem Druckgefälle zwischen dem saisonalen, extremen Höhenhoch über Tibet und dem äquatorialen Indischen Ozean an der Obergrenze der Troposphäre bei 12º bis 14º nördlicher Breite der tropische Ostjet, der vom westlichen Pazifik bis zum östlichen Atlantik weht. Die Querzirkulation, die jeder Jetströmung zu Eigen ist, ist im Entstehungsgebiet über Asien gegen den Uhrzeiger gerichtet und bewegt sich im Endgebiet über der Sahara und Arabien mit dem Uhrzeiger. Der absteigende Ast der Querzirkulation verstärkt die Absinktendenz der Passate und unterdrückt die Regen bringenden tropischen Monsune auf der Äquatorseite der nördlichen Wendekreise. Die Wüstengebiete der Sahara und Arabiens verdanken ihre verstärkte Aridität also der Querzirkulation des Ostjets und damit letztlich dem sommerlichen Höhenhoch über Tibet.
Reliefwüsten
Im Regenschatten von Gebirgen liegen Reliefwüsten. Sie beschränken sich auf Zonen mit relativ einheitlichen Winden, die feuchte Luftmassen heranführen. Dies sind meist die Westwinde der gemäßigten Breiten.
Die Niederschläge regnen sich im Luv der meist quer zur Windrichtung verlaufenden Höhenrücken ab. Im Lee bewirken die absteigenden und sich erwärmenden Luftmassen dann Wolkenauflösung und Niederschlagsarmut. Geographen sprechen hierbei vom Föhneffekt, der oftmals lokale Namen wie Chinook (USA) oder Zonda (Argentinien) trägt.
Zu den Reliefwüsten ist die Great Basin Desert im Lee der Sierra Nevada und des Kaskadengebirges zu rechnen; zu ihnen zählt auch die südlich angrenzende Mojave Desert mit dem Death Valley. Ferner liegen die Trockengebiete der Chihuahua-Wüste im Regenschatten der Sierra Madre Occidental, in Südamerika stellen die Halbwüsten Patagoniens im Lee der Anden ein typisches Beispiel für eine Reliefwüste dar.
Oftmals verschränkt sich die Regen abschirmende Wirkung von Gebirgszügen mit den Folgen der Lage am Wendekreis. Ein Beispiel ist die Trockenheit im Zentraliran, wo die Hochbecken der Großen Kavir und der Lut durch das Zagrosgebirge im Westen und das Elburzgebirge im Norden von den feuchten Luftmassen abgeschirmt werden.
In der Kombination aus Kontinentalität (siehe unten) und Abschirmwirkung umgebener Gebirge besteht die Hauptursache für die zentralasiatischen Wüsten, die in Becken liegen und von Hochgebirgen umschlossen sind. Des Weiteren hindert das extreme Relief des Himalajas den indischen Monsun, über das tibetische Hochplateau nach Zentralasien vorzudringen.
Kontinentale Inlandwüsten
Während viele Reliefwüsten ohne die abschirmenden Gebirge noch Niederschläge erhalten würden, liegen im Zentrum großer Landmassen aride Gebiete, die ohne Gebirgsbarrieren nicht von feuchten Luftmassen erreicht würden. Dies trifft vor allem auf Asien zu, wo sich insbesondere zwischen 35º und 50º nördlicher Breite riesige Trockengebiete quer durch den Kontinent erstrecken. Die Trockenheit der Sahara wird in ihren zentralen und östlichen Teilen ebenfalls durch die Kontinentalität verstärkt.
Die Wirkung der Tiefdruckgebiete atlantischer Herkunft wird nach Osten hin mehr und mehr abgeschwächt. Die Luftmasse verliert unterwegs ihre Feuchtigkeit und erreicht »getrocknet« weit vom Meer entfernte Regionen, so dass allein deren geographische Lage zu Aridität führt. Kontinentalität führt zu großen Temperaturunterschieden: In den zentralasiatischen Wüsten schwanken die Temperaturen zwischen 40º C unter Null und 50º C über Null.
Küstenwüsten
Zu den ungewöhnlichsten Wüsten gehören die Küstenwüsten. Das Klischeebild von einer heißen, trockenen Wüste trifft auf sie in keiner Weise zu. Sie sind praktisch niederschlagsfrei, aber trotzdem relativ feucht und kühl. Zu den Küstenwüsten zählen Teile der Sonora-Wüste auf der Halbinsel Baja California, die Atacama-Wüste in Südamerika und die Namib im südwestlichen Afrika. Hier wird Aridität durch die Nachbarschaft zu kalten, küstenparallelen Meeresströmungen verursacht, und zwar zum kalten, aus dem Norden kommenden Kalifornienstrom an der Pazifikküste Nordamerikas, zum aus Antarktisgewässern kommenden Humboldtstrom an der Pazifikküste Südamerikas sowie zum ebenfalls antarktischen Benguelastrom an der Atlantikküste Südafrikas. Vor der Küste der Westsahara trägt auch der kühle Kanarenstrom zur Aridität der Küstenzone bei, wenngleich die Aridiät hier – im Gegensatz zu echten Küstenwüsten – landeinwärts zunimmt. Auch die Trockenheit Westaustraliens wird durch eine kalte Meeresströmung zumindest verstärkt.
Auffällig ist, dass sich die Küstenwüsten immer an der Westseite von Kontinenten befinden. Dies wird verständlich, wenn man sich die Ursachen für Küstenwüsten genauer ansieht.
An den Westküsten Amerikas und Afrikas wird das Oberflächenwasser der Meeresströmungen durch die Corioliskraft seewärts gelenkt, so dass auf der Landseite kaltes Tiefenwasser aufquellen kann, was die Oberflächentemperatur der an sich schon kalten Meerströmung weiter reduziert. So liegt die Oberflächentemperatur des Benguelastroms zwischen 12º im Winter und 17º C im Sommer. Vor Nordchile beträgt die Wassertemperatur des Meeres aufgrund des Humboldtstroms 10º und vor Peru sogar 12º C weniger als in diesen Breiten üblich. Die kalte Meeresoberfläche führt auch zum Absteigen von sich im Kontakt mir ihr abkühlenden Luftmassen und damit zur Ausbildung einer Inversionsschicht, die z. B. über dem Benguelastrom in 700 bis 1.700 m Höhe eine Temperaturzunahme um 4 bis 9º C von unten nach oben bewirkt. Über dem Humboldtstrom liegt die Inversion oberhalb von 600 bis 900 m, und die vertikale Temperaturzunahme beträgt 7 bis 11º C.
Die abkühlende Luft kondensiert und bildet Nebelbänke aus, die normalerweise über den küstennahen Ozeanen liegen, aber von Seewinden ins Inland getrieben werden können. Allerdings entstehen durch die hohen Bodentemperaturen des Festlands Turbulenzen, welche die Nebel meist rasch auflösen. Wenn die Luftmassen wieder aufsteigen, verhindert die Inversionsschicht Kondensation und damit auch Niederschläge als Regen.
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