Wer hoch auflösende Satellitenbilder betrachtet oder sich auf einer unbegrenzten Zahl Webseiten informiert, kann sich nur schwer vorstellen, wie wenig unsere Vorfahren über die geographischen Verhältnisse auf der Erde wussten. Noch im 19. Jahrhundert waren das Innere Afrikas oder Australiens weiße Flecken auf der Landkarte. Die Entdeckungsgeschichte der Wüsten ist zunächst Teil der allgemeinen Entdeckungsgeschichte. So zog Marco Polo zwar durch zahlreiche Wüsten, sein Ziel war aber der Hof des Großkhans in China. Gleichwohl lieferten seine Aufzeichnungen wertvolle Informationen über die Wüsten Asiens.
Ausgangspunkt der Entdeckungsreisen war Europa. Nur in der abendländischen Zivilisation verband sich das Interesse der Menschen, in neue Sphären vorzustoßen, mit einem aggressiven Händlergeist, der mit missionarischem Sendungsbewusstsein und militärischem Eroberungsdrang nach Rohstoffen, Märkten und Luxusgütern suchte. Gewiss gab es Ibn Battuta, den arabischen Forschungsreisenden, und Abu Bakari II., den Herrscher aus Mali, der Schiffsexpeditionen über den Atlantik ausrüstete, aber die Hochkulturen in Übersee, das alte Japan, China oder Afrika, die Azteken und Maya verspürten offenbar nicht die Neigung, die Welt zu erforschen.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse brachten es mit sich, dass die Entdeckungsgeschichte bis weit ins 19. Jahrhundert hinein überwiegend von Männern geschrieben wurde, nur wenige Frauen – z. B. Alexandra David-Neel und Isabelle Eberhardt – hatten an den Entdeckungen der Wüsten Anteil. Unter den Entdeckern waren Gelehrte, Abenteurer, Kaufleute, Missionare, Glücksritter, Militärs. Oft genug waren sie in offiziellem Auftrag unterwegs, oft genug verfolgten die Expeditionen auch ein imperialistisches Interesse. Überzeugt von der Überlegenheit ihrer eigenen Zivilisation, brachten die Forschungsreisenden den Einheimischen nur selten Respekt entgegen. Männer wie Heinrich Barth blieben eher Ausnahmen. Mit Barth schob sich das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse in den Vordergrund.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Erdoberfläche zu 95 Prozent bekannt. Es gab nur noch wenige unentdeckte Regionen, z. B. in den Wüsten Zentralasiens und Arabiens.
Lange bevor die berühmten Entdecker die Wüsten durchquerten, zogen vermutlich schon andere Menschen durch die unbekannten Regionen. Wir werden nie erfahren, ob Kaufleute aus Karthago, militärische Spähtrupps, römische Deserteure, Pilger oder Neugierige vor René Caillié oder Heinrich Barth die Sahara erkundet haben. Die Entdeckungsgeschichte ist auch die Geschichte der einheimischen Begleiter, ohne deren sachkundige Hilfe selbst ein Sven Hedin seine Expeditionen durch die zentralasiatischen Wüsten niemals erfolgreich durchgeführt hätte. Diese Einheimischen waren seit Generationen mit den Landschaften, Bergen und Routen vertraut, deren Entdeckung die Entdecker für sich in Anspruch nahmen, werden aber in deren Reiseberichten nur selten erwähnt.
DIE ENTDECKUNG DER WÜSTEN ASIENS
Die Entdeckungsgeschichte der Wüsten Asiens begann mit einem Eroberungsfeldzug. Alexander der Große (353-323 v. Chr.) ließ seine Truppen 330 v. Chr. über den Hindukusch in den Norden Afghanistans marschieren, zog mit seinem Heer über den Syr-Dayra bis ins Pandschab. Dort zwang eine Meuterei den König zur Umkehr. Auf dem Rückweg durchquerte Alexander die Wüsten Belutschistans, während sein Feldherr Craterus die Wüste Lut mit Elefanten zu passieren versuchte. Das Römisch Reich unterhielt über die Seidenstraße Handelsbeziehungen mit Asien und führte Feldzüge nach Arabien, so dass die Kenntnisse über die asiatischen und arabischen Wüsten weiter anwuchsen.
Im Mittelalter gelangten vor allem durch Marco Polos (1254 – 1324) Chinareise neue Kenntnisse über die Wüsten Asiens nach Europa. Marco Polo, ein Kaufmannssohn aus Venedig, brach 1271 gemeinsam mit seinem Vater und seinem Onkel nach China auf. Sie reisten durch Persien zu der alten Karawanenmetropole Balkh, bezwangen von dort aus auf Hochpässen den Pamir und zogen auf der Seidenstraße weiter. Sie durchquerten die Wüste am Lop Nor und trafen 1275 in Kambalu ein, dem heutigen Peking. Marco Polo blieb bis 1292 in China. Als Vertrauter des Großkhans Kublai Khan wurde er mit Kurierdiensten beauftragt und soll sogar einen Gouverneursposten in Südchina erhalten haben. 1292 nahmen die Venezianer Abschied und kehrten 1295 per Schiff und auf dem Landweg nach Venedig zurück.
Die Reiseaufzeichnungen des Ibn Battuta (1304 -1377) blieben in Europa fast 500 Jahre unbekannt, obwohl er der einzige Reisende war, der sich mit Marco Polo messen lassen kann. Ihre Berichte – Ibn Battuta diktierte seine Erlebnisse dem Gelehrten Ibn Dschuzaj – gelten als zwei große Beispiele christlicher und islamischer Weltsicht am Ausgang des Mittelalters.
Ibn Battuta wurde in Tanger geboren. Im Alter von 20 Jahren pilgerte er nach Mekka, erst 24 Jahre später kehrte er in seine marokkanische Heimat zurück. Er war Kadi und übte diese Tätigkeit unterwegs aus, wenn er durch islamische Länder kam. Nach Mekka reiste er über Alexandria und Kairo, dann den Nil aufwärts und über das Rote Meer. Von Mekka aus ging seine zweite Reise nach Syrien, Jerusalem und Damaskus, dann nach Mesopotamien und Persien. Nach einem weiteren Mekka-Aufenthalt reiste er über den Jemen nach Ostafrika, dann zurück nach Mekka, danach über Anatolien auf die Krim bis zur Wolga. Er wanderte durch Chorasmien, gelangte nach Buchara und zog auf dem Weg nach Indien quer durch Afghanistan. In Delhi wirkte er zehn Jahre als Kadi und reiste dann nach China, bevor er über Mekka in seine Heimat zurückkehrte. Seine letzte Reise führte ihn nach Timbuktu. Ibn Battuta legte 120.000 km zurück, dreimal so viel wie Marco Polo.
Im 19. Jahrhundert brachten die Forschungsreisen des Geographen Ferdinand Freiherr von Richthofen (1833 – 1905) und des russischen Generals Nicolai Przewalski (1839-1888) neue Erkenntnisse über die Wüsten Asiens. Richthofen unternahm von 1868 bis 1872 sieben große Forschungsreisen nach China. Seine richtungsweisenden Arbeiten machen ihn zum Vater der modernen Länderkunde. Fast zur gleichen Zeit durchquerte Przewalski die Wüste Gobi, gelangte ins Qaidam-Becken und durch die Ordos-Wüste in die nördliche Mongolei, 1876/77 durch die Takla Makan bis ins Tarimbecken, 1879/80 bis nach Tibet. In den Steppen Asiens entdeckte Przewalski eine unbekannte, heute nach ihm benannte Wildpferdart.
Weltberühmt wurde der Asienforscher Sven Hedin (1865-1952). Nach einem Persienaufenthalt als Dolmetscher für eine diplomatische Mission blieb Hedin in Teheran und startete von dort aus seine erste Zentralasienexpedition über Merw, Buchara und Samarkand nach Kashgar und zum Issyk-Kul-See. Weitere Expeditionen folgten. Hedin interessierte sich besonders für das Wandern von Gewässern (der »wandernde See« Lop Nor) und für Tibet. Seine populärwissenschaftlichen Bücher erzielten hohe Auflagen und wurden in 30 Sprachen übersetzt. Heute wird Sven Hedin kritisch gesehen. Er stand in Kontakt mit den Nationalsozialisten und bewunderte Hitler selbst noch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die Wüsten Irans und Mittelasiens wurden von Russen erforscht. Buhse bereiste 1849 die Salzwüste der Großen Kavir, und Khanikov durchquerte 1858 die Mittlere Lut.
Die Wüsten Arabiens gehörten noch lange zu den weißen Flecken auf der Landkarte. Erst 1931 gelang dem Briten Bertram Thomas (1892-1950) die Durchquerung der Rub al-Khali, des »Leeren Viertels«, allerdings auf einer leichten Route. 1932 folgte ihm sein Landsmann Harry St. John Philby (1885-1960), der die Rub al-Khali auf einer 3.000 km langen Tour in ihrem westlichen Teil durchquerte. Eine komplette Durchquerung gelang erst 1946 und 1948 dem Engländer Wilfred Thesiger (1910-2003), dem letzten großen Exzentriker unter den britischen Entdeckern.
DIE ENTDECKUNG DER WÜSTEN AUSTRALIENS
Die Erschließung des Inneren Australiens spielte sich auf einem Nebenschauplatz ab. Seit seiner Entdeckung um 1600 blieb der fünfte Kontinent nahezu unbeachtet, weil er keinen wirtschaftlichen Profit versprach. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren lediglich die Küstenstreifen erschlossen und teilweise von Weißen besiedelt worden. Infolge unüberwindlicher Transportschwierigkeiten zögerten die Europäer lange, in das Innere vorzustoßen. Es fehlten Lasttiere, es existierten weder Oasen noch Wege, und nicht einmal Führer ließen sich finden. Während ganz Europa gebannt die Entdeckungsreisen von Heinrich Barth, Livingstone und Stanley verfolgte, wagten sich nur wenige von wissenschaftlichem oder sportlichem Ehrgeiz getriebene Einzelgänger ins Innere Australiens vor.
John Edward Eyre (1815-1901) erforschte von 1839 bis 1840 den unteren Lauf des Murray, die Flinders Range und stieß auf den Torrens-, Eyre-, Gregory- und den Weißen See. 1840/1841 marschierte er von der Fowler Bay bei Adelaide zum King George Sound an der Westküste. Fast im Alleingang gelang ihm damit die Durchquerung der südlichen australischen Wüstengebiete. Seine Reiseberichte, die ausführliche Informationen zu den Aborigines enthalten, gelten heute als wichtige Werke der Australienliteratur. Charles Sturt (1795-1869) stieß bei seinen drei Expeditionen zwischen 1827 und 1845 fast bis zum 24. südlichen Breitengrad vor, doch damit war der Kontinent noch nicht vollständig durchquert. Dies versuchte der deutsche Forschungsreisende Ludwig Leichhardt (1813-1848). Er brach 1846 zu einer Landdurchquerung Zentralaustraliens auf, von Sydney sollte es nach Perth gehen. Leichhardt kam nie an. Suchexpeditionen brachten zwar neue geographische Erkenntnisse, konnten sein Schicksal aber nicht aufklären. Eine dieser Suchaktionen führte John Forrest (1847-1918), dem es 1870 gelang, das Landesinnere Westaustraliens von Perth nach Adelaide zu durchqueren.
Der Schotte John MacDouall Stuart (1815-1866) hatte schon 1844 an Sturts Expedition teilgenommen. 14 Jahre später gelang ihm mit 69 Pferden die Süd-Nord-Durchquerung des Kontinents. Der Highway, der heute Australien von Darwin über Alice Springs nach Port Augusta durchquert, trägt seinen Namen.
1872 führte Peter Egerton Warburton (1813-1889) eine Expedition mit dem Ziel, von Adelaide über Alice Springs Perth zu erreichen. Mit Kamelen als Lasttieren zog er durch die Great Victoria Desert bis zur Grenze zu Westaustralien, bevor ihn Wassermangel zwang, die Route Richtung Nordwesten abzuändern und besiedeltes Gebiet anzusteuern. Von 1870 an wurde die Telegraphenleitung in Nord-Süd-Richtung verlegt, was die Erforschung der Wüsten Zentralaustraliens außerordentlich erleichterte.
Der Forscher Ernest Giles (1835-1897) unternahm mehrere Expeditionen ins Innere Australiens. 1875 erkundete er den Erdteil auf der Ost-West-Route. Mit Kamelen brach er in Port Augusta auf, zog durch die Great Victoria Desert und erreichte nach 4.000 km Perth. 1880 erhielt er die Goldmedaille der Royal Geographical Society, doch keinerlei finanzielle Zuwendungen. Der letzte große Entdecker Australiens musste einen schlecht bezahlten Posten als Wärter auf einem Goldfeld annehmen und starb in großer Not.
DIE ENTDECKUNG DER WÜSTEN AMERIKAS
Die Entdeckung Nordamerikas erfolgte von der Ostküste aus. Sie begann im 17. Jahrhundert, hatte jedoch nicht die Wüsten zum Ziel. Deren Erforschung wurde vom mexikanischen Hochland aus in Angriff genommen und geschah durch Mönche. Einer von ihnen, der Jesuit Eusebio Kino (1645-1711) aus Südtirol, legte bei der Erkundung des amerikanischen Südwestens fast 35.000 km zu Pferd zurück. 1863 entdeckte er, dass Kalifornien keine Insel ist, wie man angenommen hatte, 1701 unternahm er eine Expedition zum Gila River und zum Colorado. Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Erforschung der amerikanischen Wüsten intensiver betrieben. Benjamin Bonneville (1796-1878), John Charles Frémont (1813-1890) und Howard Stanbury erkundeten den Großen Salzsee bzw. Kalifornien.
Mittel- und Südamerika wurde von den spanischen Konquistadoren entdeckt. Dieses Kapitel der Entdeckungsgeschichte war das blutigste überhaupt. Die Konquistadoren zerstörten die alten Hochkulturen der Azteken, Inka und Maya, immer auf der Suche nach dem sagenhaften Goldland Eldorado. 1769 brach Thaddaeus Haenke (1761-1816), ein Naturforscher aus Böhmen, im Auftrag der Spanischen Krone zu einer Forschungsreise in die Atacama auf. Er sollte Flora und Fauna erkunden, den wirtschaftlichen Nutzen feststellen und Bodenschätze aufspüren. Haenke stieß auf die Salpeter-Vorkommen der Atacama und stellte damit Sprengstoff sowie Schießpulver her. Er starb unter mysteriösen Umständen, wahrscheinlich hatte er die Aufständischen gegen die Spanier unterstützt. In Europa ist Haenke vergessen. In Südamerika wird er bis heute gewürdigt und mit Alexander von Humboldt (1769-1859) verglichen.
1939 hörte die deutsche Mathematikerin Maria Reiche (1903-1998) in Lima von rätselhaften Landmarkierungen, die sich durch die Peruanische Küstenwüste zogen und kurz zuvor von dem Historiker Paul Kosok entdeckt worden waren. Über 50 Jahre lang erforschte sie diese so genannten Nazca-Linien und konnte nachweisen, dass einige Linien in Zusammenhang mit astronomischen Erscheinungen stehen, andere an ihren Schnittstellen Sonnwendpunkte oder Jahreszeiten markieren. Mehr als 13.000 Linien bedecken rund 1.000 km² Wüste, die aber wohl nur ein Bruchteil dessen darstellen, was einst existiert hat.
DIE ENTDECKUNG DER WÜSTEN AFRIKAS
Die Entdeckungsgeschichte Afrikas und damit auch die seiner Wüsten beginnt früh. Im 3. Jahrhundert v. Chr. drang Alexander der Große bis zur Oase Siwa vor, wo er den Amon-Tempel besuchte und von einem Priester als Sohn des Zeus begrüßt wurde. Um 430 v. Chr. berichtet Herodot, der erste große Forschungsreisende, von den Garamanten in der Libyschen Wüste sowie von fünf Angehörigen des Volks der Nasamonen, welche die Sahara durchquerten und im Süden auf Schwarze und an einen großen Fluss stießen. Die Römer unternahmen immer wieder Expeditionen in die Sahara und drangen bis zum Tschad vor. Ptolemäus, der griechische Geograph, hatte im 2. Jahrhundert n. Chr. eine relativ genaue Vorstellung von dieser Wüste und benannte einzelne Landschaften.
1352 zog Ibn Battuta (1304-1377), der schon Arabien und Asien bereist hatte, mit einer Karawane durch die Sahara und fuhr auf dem Niger, den er zunächst für den Nil hielt, bis nach Timbuktu. Im 16. Jahrhundert durchquerte ein zweiter arabischer Reisender die Sahara, Leo Africanus (1492-1526) aus Cordoba. Im Alter von 16 Jahren begleitete er seinen Onkel auf einer marokkanischen Gesandtschaftsreise nach Timbuktu. Später reiste er ein zweites Mal nach Timbuktu, von dort aus zum Tschadsee und über Nubien zurück. Nach einer Ägyptenreise geriet er vor der tunesischen Küste in die Hände italienischer Seeräuber und kam an den Hof Papst Leos X., wo er zum Christentum übertrat. Professor für Arabisch an der Universität Bologna, verfasste er auf Italienisch eine Beschreibung Afrikas, die lange Zeit die Hauptquelle allen Wissens über das nördliche Afrika darstellte.
Mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begann die systematische Erkundung der Sahara. Dabei übte das sagenumwobene Timbuktu eine starke Anziehungskraft aus. Der deutsche Theologe Friedrich Hornemann (1772-1800) verließ im September 1798 als muslimischer Händler verkleidet Kairo, gelangte zunächst nach Siwa, und weiter westwärts nach Murzuk, der Hauptstadt des Fezzan, von dort aus nach Bornu. Timbuktu erreichte er nicht, auf dem Weg zum Niger verstarb er an Ruhr. 1825 entsandte die britische Regierung den Major Alexander Gordon Laing (1793-1826) mit dem Auftrag nach Afrika, von Norden aus nach Timbuktu vorzudringen und den Lauf des Niger zu erkunden. Er wählte einen bis dahin von Europäern noch nicht begangenen Karawanenweg über Ghadames im heutigen Libyen und gelangte im August 1826 nach Timbuktu. Von dort aus brach er nach Segu auf, um den Niger zu erforschen, wurde aber unterwegs von seinen Begleitern ermordet. Mehr Glück hatte der Franzose René Caillié (1799-1839), der vom Senegal aus im April 1828 Timbuktu erreichte. Caillié hatte Arabisch gelernt und gab sich als Sohn muslimischer Eltern aus Alexandria aus. Zwei Wochen blieb er in Timbuktu, in steter Gefahr, entlarvt zu werden. Dann schloss er sich einer Karawane an, die durch die westliche Sahara nach Marokko zog. Zurück in Paris, erhielt er den Preis, den die Geographische Gesellschaft dem zugedacht hatte, der als Erster nach Timbuktu käme.
Heinrich Barth (1821-1865), Privatdozent für Geographie an der Universität Berlin, nahm durch Vermittlung des preußischen Gesandten in England zusammen mit dem Geologen Adolf Overweg an einer britischen Expedition teil. Die Expedition führte 1850 von Tripolis aus quer durch die Sahara nach Bornu. 1851 starb Richardson. Barth und Overweg zogen allein weiter und erkundeten teils gemeinsam, teils getrennt das gesamte Tschadseegebiet. 1852 starb auch Overweg, Barth brach nach Westen auf. Im Herbst 1853 erreichte er Timbuktu, wo er sich sieben Monate aufhielt. Auf der Rückreise traf er in Bornu seinen Landsmann Eduard Vogel, den man zu seiner Rettung ausgesandt hatte. Im Frühjahr 1855 verließ Barth Bornu und kehrte über Bilma und Murzuk nach fast sechs Jahren in die Heimat zurück. Heinrich Barth hat sich auf dieser gefährlichen Expedition als einer der fähigsten Forscher bewährt, welche die lange Entdeckungsgeschichte der Wüsten kennt. Sein fünfbändiger Reisebericht umfasst 3.593 Seiten und gilt noch heute als unverzichtbares Quellenwerk zur Geschichte der Sahara. Er zeugt von Barths Fähigkeit, Strapazen zu erdulden, schwierige Situationen zu meistern und den Einheimischen mit Respekt und Menschlichkeit zu begegnen.
Neben Heinrich Barth sind es die beiden deutschen Forscher Gerhard Rohlfs (1831-1896) und Gustav Nachtigal (1834-1885), welche die Erforschung der Sahara voranbrachten, später allerdings in koloniale Dienste traten.
Gerhard Rohlfs, ein Mediziner, ging als Arzt in die Fremdenlegion. Danach reiste er als Araber verkleidet nach Marokko. Als Arzt des Sultans lernte er das Land genau kennen. 1862 unternahm er eine Expedition zu den Oasen des Tafilet, 1863 zu den Touat-Oasen und nach In Salah. 1865 bis 1867 durchquerte er als erster Europäer die Sahara und gelangte bis nach Lagos. Später unternahm er zwei größere Expeditionen in die Libysche Wüste und erreichte 1879 als erster Europäer die Oase Kufra. Durch seine fesselnden Reisebeschreibungen bekannt geworden, wurde er für kurze Zeit deutscher Generalkonsul auf Sansibar.
Gustav Nachtigal arbeitete als Arzt in Tunis und reiste von dort 1868 nach Tripolis, wo er Rolfs traf und von ihm den Auftrag übernahm, dem Sultan von Bornu Geschenke der preußischen Regierung zu überbringen. Nachtigal zog mit einer Karawane nach Murzuk und unternahm von dort eine Expedition ins Tibesti, das er als erster Europäer erreichte. Während dieser zweimonatigen Reise wurde er von den Tubu ausgeraubt, konnte aber fliehen und kehrte 1869 mit knapper Not nach Murzuk und Bornu zurück. 1873 gelang es ihm, in das verschlossene Königreich Wadai zu reisen. Seine Reiseberichte wurden Bestseller, 1882 ernannte Bismarck ihn zum Generalkonsul von Tunis, später zum Reichskommissar für Westafrika.
In Murzuk traf Nachtigal auf Alexine Tinne (1839-1869), eine der wenigen weiblichen Afrikareisenden. Als reiche Erbin englisch-holländischer Abstammung stets mit großem Gefolge unterwegs, brach sie 1869 zu einer Expedition durch die Sahara nach Murzuk auf. Sie wollte herausfinden, ob es eine Wasserverbindung zwischen dem Tschadsee und dem Nil gab, und dann von Murzuk durch Bornu zum oberen Nil vordringen. Während Nachtigal das Tibesti erkundete, wurde sie in Ghat wegen ihrer Reichtümer ermordet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Sahara noch längst nicht vollständig erforscht. Nach der Eroberung des überwiegenden Teils dieser Wüste und ihrer Eingliederung in das französische Kolonialreich wurden Offiziere der Kamelreiterkompanie mit der systematischen Erkundung betraut, später auch Wissenschaftler wie Théodore Monod, einer der bedeutendsten Saharaforscher des 20. Jahrhunderts. Eigentlich Ozeanograph, hat er seit 1927 zahllose Saharaexpeditionen per Kamel durchgeführt, Steine und Fossilien gesammelt, das Skelett eines prähistorischen Menschen entdeckt und die Tier- und Pflanzenwelt studiert. 1936 durchquerte er erstmals die Tanezrouft-Wüste und 1954 das Majabat-al-Koubra-Plateau (»Große Einsamkeit) im Grenzgebiet zwischen Mauretanien und Mali. Viele seiner über 1.200 Veröffentlichungen gelten als Standardwerke.
Im Osten durchquerte der Ägypter Ahmed Hassanein Bey 1923 mit 37 Kamelen die Libysche Wüste zu den Kufra-Oasen und weiter nach El Fashir im Sudan. Dabei entdeckte er die lange gesuchten Oasen von Jebel Arkenu und Jebel Uweinat. Die Weiten der Libyschen Wüste mit Karawanen zu überwinden, erwies sich als schwierig, so dass ihre eigentliche Erforschung erst mit dem Einsatz von Automobilen und Kleinflugzeuge begann. Der österreichisch-ungarische Flug- und Autopionier Ladislaus E. Almásy (1865-1951) galt bald als einer der besten Kenner der östlichen Sahara. Als Offizier des mit Deutschland verbündeten Ungarn schleuste er im Zweiten Weltkrieg für den deutschen Geheimdienst Spione durch die Wüste nach Ägypten ein. Der Film »Der englische Patient« erzählt seine Geschichte.
Die Namib übte aufgrund ihrer geringen Ost-West-Ausdehnung auf Entdecker keine große Anziehungskraft aus. Erst als sie der Kolonie »Deutsch-Südwestafrika« einverleibt und 1908 Diamanten gefunden wurden, intensivierte sich die Forschung. 1963 wurde in Gobabeb an der Grenze zwischen Dünen- und Felsennamib ein Wüstenforschungsinstitut errichtet. Das Dünenmassiv vom Kuiseb bis Lüderitz ist bis heute kaum zugänglich, da es im Namib-Naukluft-Nationalpark bzw. im Diamantensperrgebiet liegt.
Die Wüsten der Erde sind heute weitgehend »entdeckt«. Immer noch finden Wüstenreisende große, faszinierend zu erkundende Gebiete, die noch kaum ein Mensch betreten hat. Das Reisen ist nicht aber unbedingt gefahrloser als früher. Dank moderner Satellitennavigation, detaillierter Karten und zuverlässiger Fahrzeuge verirrt man sich oder verdurstet nicht so schnell. Minen, Banditen, Rebellen, Terroristen und Rauschgiftschmuggler machen das Reisen in manchen Wüstengebieten Asiens oder Afrikas heute ebenso unberechenbar wie zu Zeiten Marco Polos oder Heinrich Barths.
Die Wüstenforschung ist heute so differenziert wie die Wissenschaft selbst. Viele naturwissenschaftliche Fachrichtungen beschäftigen sich mit wüstenspezifischen Fragen und erbringen in ihrer Disziplin neue Erkenntnisse. Die Geographie kann dazu beitragen, die Ergebnisse räumlich einzuordnen und zu bewerten. Wenn auch Feldforschung nach wie vor einen wichtigen Stellenwert hat, werden heute viele Daten im Labor oder, wie im Kapitel »Wüstenforschung aus dem Weltraum« gezeigt wird, durch Satelliten gewonnen.
Fernerkundung spielt auch bei der klimatischen Wüstenforschung eine entscheidende Rolle. Die klimatische Wüstenforschung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft, wenn es darum geht, die Entwicklung des Klimas in den Wüsten und weltweit abzuschätzen. Längst sind es nicht nur mehr die Bewohner der Sahelzone, die von extremen Witterungsverhältnissen bedroht werden. Überschwemmungen, Dürrezeiten und Sturmfluten bedrohen auch zunehmend die gemäßigten Breiten. Die Erkenntnis, dass extreme Witterungsverhältnisse infolge von Klimaänderungen nicht nur ökologische, sondern auch enorme ökonomische und soziale Folgen haben können, setzt sich langsam auch in den Industrienationen durch.
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