Die Lage Australiens am südlichen Wendekreis ließe eigentlich deutlich ausgeprägte Wendekreiswüsten erwarten, wie wir sie in Afrika mit der Sahara kennen. Dem steht der Inselcharakter Australiens entgegen, dem der Kontinent seine nur mäßig ausgeprägte Aridität verdankt. Das relativ flache Australien ist nach fast allen Seiten hin für die Zufuhr feuchter Luftmassen offen, insbesondere für tropische Luftmassen aus nördlicher und nordwestlicher Richtung, die in den Sommermonaten zu heftigen Regenfällen führen können. Der aride Süden und Südwesten steht unter dem Einfluss der Westwinddrift, was ein Niederschlagsmaximum im Winter zur Folge hat. Für die Westküste kommt das Fehlen einer ausgeprägten kalten Meeresströmung hinzu, die auf dem amerikanischen und afrikanischen Kontinent für Küstenwüsten sorgt.
In diesem Kapitel werden jene australischen Wüstengebiete vorgestellt, die westlich des Korridors liegen, in dem der Stuart Highway von Darwin nach Port Augusta verläuft. Es sind dies die Great Sandy Desert, Gibson Desert, Tanami Desert, Great Victoria Desert und das Nullarbor Plain.
Great Sandy Desert
Die größte Wüste Australiens ist die Great Sandy Desert. Zusammen mit der südlich angrenzenden Gibson Desert umfasst sie eine Fläche von 600.000 km². Die Gibson Desert wird von zahlreichen Geographen als Teil der Great Sandy Desert betrachtet. Das Gebiet beider Wüsten erstreckt sich vom Indischen Ozean bis zu den Bergen der MacDonnell Range, im Norden reicht es an die Ausläufer der Kimberleys heran, im Süden bis an die Warburton Range.
Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Sandwüste. Sie weist überaus regelmäßige, von Ost nach West parallele Dünenzüge auf, die in Abständen zwischen 400 und 2.400 m verlaufen und zwischen 15 und 30 m hoch sind. Die Niederschlagsmenge liegt im Süden bei 250 mm pro Jahr und nimmt nach Norden bis auf 500 mm zu. Die Great Sandy Desert ist bis auf eine geringe Zahl einsam gelegener Aborigines Communities und die Telfer-Goldmine unbesiedelt. Sie wird von wenigen, selten befahrenen Pisten durchzogen. Die bekannteste, die Canning Stock Route, folgt einer alten Viehtrieb-Route, die Albert Canning 1908 und 1909 anlegte. Canning bohrte 52 Brunnen, damit die Rinder mit Wasser versorgen werden konnten. Die Tiere waren monatelang von Hall Creek nach Südwestaustralien unterwegs, und trotz der Brunnen waren die Verluste hoch Auch heute muss man für die Bewältigung der rund 1.750 km langen Canning Stock Route mit dem Geländewagen noch eine Fahrzeit von 14 Tagen einkalkulieren.
Ihren Namen verdankt die Gibson-Wüste dem Entdecker Ernest Giles, der sie 1873 in Erinnerung an Alfred Gibson, seinen beim Versuch der Durchquerung dieser Wüste umgekommenen Begleiter, so nannte. Die Gibson-Wüste ist bekannt für ihre Wildblumen, die nach ausreichenden Niederschlägen im Frühling erblühen. Doch auch in den übrigen Jahreszeiten fällt es schwer, die Gibson Desert oder Great Sandy Desert als echte Wüste wahrzunehmen. Zu sehr dominieren Gras- und Buschvegetation. Am meisten verbreitet ist das Spinifexgras, das in allen Wüsten Australiens gedeiht und in dicht stehenden, atollförmigen Kissen wächst. Es ist hart und scharfkantig und erschwert das Vorankommen ungemein. Die am häufigsten vorkommenden Bäume sind Mulgas, dornenlose Akazien. Aufgrund der isolierten Vegetationsentwicklung sind über 50 Prozent der Pflanzenarten endemisch, finden sich also nur dort.
Nordöstlich von der Great Sandy Desert liegt die Tanami Desert. Sie verdankt ihren Namen der Goldmine von Tanami. Anders als in der Great Sandy Desert dominieren hier Kies- und Schotterflächen. Von manchen Geographen wird auch die Tanami als Teil der Great Sandy Desert eingestuft.
Südlich des Wüstenkomplexes aus Great Sandy Desert, Tanami Desert und Gibson Desert liegt die Great Victoria Desert. Sie hat eine Fläche von 350.000 km² und reicht als Wüstenband vom Stuart Highway aus 1.300 km nach Westen. Es handelt sich um ein flaches, gewässerloses Land, das von unregelmäßig auftretenden Dünenreihen bedeckt ist. Das Mittel der jährlichen Niederschlagsmengen liegt bei über 200 mm, so dass die Dünen mehr oder minder dicht bewachsen sind.
Die Great Victoria Desert wird durch so genannte Bomb Roads erschlossen, ein Pistennetz, das in den 1950er-Jahren erbaut wurde, um die für die Raketentests in Womera und die Atombombentests in Emu notwendige Infrastruktur zu schaffen. Der Erbauer und Pionier Len Beadell wird heute in Australien als Legende verehrt. Die einspurigen Pisten durch die Great Victoria Desert benannte er nach seiner Frau bzw. Tochter »Ann Beadell Highway« und »Connie Sue Highway«.
Im Süden grenzt das Nullarbor Plain an die Great Victoria Desert. Es handelt sich um eine baumlose Kalkebene, die senkrecht in den Südlichen Ozean abbricht. Ihre Ost-West-Ausdehnung beträgt 920 km, ihre Nord-Süd-Ausdehnung 320 km. Sie wird von der Indian Pacific Railway durchquert, die hier 480 km auf einer schnurgeraden Strecke zurücklegt.
Hier ist ein Zwischenraum, warum?
Zwischen der Art der Siedlungen und deren Bewohnern gibt es in den beiden großen Wüstengebieten Australiens auffällige Unterschiede. Während östlich des Korridors, durch den der Stuart Highway verläuft, weiße Australier auf »stations« genannten Farmen oder in kleinen Ortschaften leben, sind die westlichen Wüstengebiete fast ausschließlich von Aborigines Communities besiedelt. Diese Communities ähneln sich in Bauweise und Struktur, denn es handelt um keine gewachsenen Siedlungen, sondern um planmäßig, vom australischen Staat errichtete Ortschaften. Neben Wohnhäusern sind sie mit Verwaltungsgebäuden, Schulen, sozialen Einrichtungen und Krankenstationen ausgestattet, die meist von weißen Australiern geführt werden.
Die Lage der Aborigines ist desolat. Es gibt weder Arbeit noch irgendeine Perspektive, was viele in die Großstädte abwandern lässt. Die Communities versuchen, den weit verbreiteten Alkoholismus durch ein totales Alkoholverbot zu bekämpfen. Viele Aborigines, vor allem Jugendliche, sind auf das Schnüffeln von Benzin und Chemikalien ausgewichen, ein Phänomen, dem sowohl die Leader der Aborigines als auch die weißen Sozialarbeiter ratlos gegenüberstehen. Die Lebenserwartung und der Gesundheitszustand der Aborigines befinden sich auf dem Stand armer afrikanischer Staaten.
Die Communities liegen auf Aborgines Freehold Land, das den Aborigines nach jahrzehntelangem Kampf zurückgegeben wurde. Manche Leader sehen es heute als einen Fehler an, dass sich der politische Kampf auf die Wiedererlangung der Landrechte konzentriert hat, wurde dabei doch versäumt, für ausreichende wirtschaftliche Perspektiven zu sorgen. Die Aborigines können ohne umfangreiche staatliche Unterstützung und Versorgung nicht existieren. Dies wiederum wird von vielen weißen Australiern kritisiert, die in ihnen auch heute meist Menschen zweiter Klasse sehen. Das von Tourismusmanagern gezeichnete Bild eines friedlichen Nebeneinanders zwischen weißen Australiern und im Einklang mit der Natur lebenden Aborigines mutet geradezu zynisch an.
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