Die Wüsten Afrikas

Die Namib


Die Namib ist im Vergleich zur Sahara eine ausgesprochen kleine Wüste. Mit einer Längserstreckung von 2.000 km und einer Breite von 30 bis 100 km umfasst sie eine Fläche von nur 270.000 km². Die südliche Grenze bildet der Oranjefluss, im Norden reicht die Namib bis nach Angola hinein. Im Westen wird sie vom Atlantik, im Osten von der Großen Randstufe begrenzt, die Namibia von Norden nach Süden durchzieht. Von hier aus fällt die Namib gleich einer schiefen Ebene von 800 m bis auf Meeresniveau ab.

Auch wenn die Namib oft als typische Küstenwüste bezeichnet wird, ist ihre Trockenheit auf ihre Lage beidseits des südlichen Wendekreises zurückzuführen. Durch die unmittelbare Nachbarschaft zu einer kalten Meeresströmung wird die Regenarmut verstärkt. Im Gegensatz zur Sahara, die dem nördlichen Wendekreis vom Atlantik bis zum Roten Meer über 6.000 km weit folgt, reicht die Namib am südlichen Wendekreis nur 30 bis 100 km vom Atlantik aus in die Landmasse des afrikanischen Kontinents hinein. Die Ursache liegt in gewaltigen Meeresströmungen, welche die Auswirkungen der atmosphärischen Zirkulation im südlichen Afrika verändern und ein durchgehendes Wüstenband vom Atlantik zum Indischen Ozean verhindern: Zum Indischen Ozean hin sorgt nämlich der warme Mosambikstrom für ausreichend Niederschläge. An der Atlantikküste dagegen verstärkt der aus der Antarktis kommende Benguelastrom die Trockenheit am Wendekreis. Seine eiskalten Auftriebswasser kühlen die über dem Meer liegenden Luftmassen erheblich ab. Wenn sie auf das Festland treffen, entsteht zwischen den wärmeren und trockenen Luftmassen über dem Festland und der darunter lagernden kühlen und feuchten Meeresluft eine Inversion, was eine hoch reichende Konvektion, die zur Bildung ergiebiger Niederschläge notwendig wäre, unmöglich macht. Es bilden sich aber in Küstennähe Nebel, die von den kräftigen Seewinden ins Inland getrieben werden. Der Nebel hält oft ganztags an, reicht aber nur maximal 30 km ins Landesinnere hinein.

Die Reichweite des Nebels ist auch das Kriterium bei der Unterscheidung zwischen Küstennamib und Innerer Namib, der sich nach Osten die Vornamib anschließt.
Je küstennäher das Gebiet, desto weniger Niederschläge erhält es. Fast jeden Morgen legt sich aber eine Nebelwand über die Küstennamib, die von der raschen nächtlichen Abkühlung der tagsüber eingeströmten Seeluft verursacht wird und die sich erst am späten Vormittag oder gar nicht auflöst. Dieser Nebel entspricht einer jährlichen Niederschlagsmenge von 40 bis 50 mm. Damit bildet er die Lebensgrundlage für die Flora der Küstennamib, deren bekannteste Vertreterin die Welwitschia mirabilis ist. Mit ihren beiden meterlangen, lederartigen Blättern fangen die oft viele hundert Jahre alten Pflanzen die Nebelfeuchte auf und machen sich so unabhängig vom Grundwasser oder Regen. Die Küste der Namib stellt aber auch einen Lebensraum dar für Millionen Seevögel und Robben. Grundlage hierfür ist der überaus hohe Plankton- und Sauerstoffgehalt des Benguelastroms, der die Küstengewässer zu den fischreichsten der Erde macht.

Östlich des 30 bis 50 km breiten Streifens der Küstennamib schließt sich die Innere Namib an. Mit einer Höhe von 400 bis 500 m liegt sie außerhalb der Reichweite des Küstennebels und entspricht mit hohen Temperaturen und geringer Luftfeuchtigkeit am ehesten der allgemeinen Vorstellung von Wüstenklimaten.

Die Vornamib am Fuß der Großen Randstufe erhält bereits wieder 100 mm jährlich Niederschlag und erlaubt damit extensive Viehhaltung. Im ihrem Norden liegt der Westteil des Kaokovelds, in dem die Himba als Halbnomaden leben. Im Süden betreiben weiße Farmer am Fuß der hier 1.800 m hohen Randstufe riesige Farmen, auf denen Rinder und Karakulschafe gezüchtet werden. Die Vegetation ist so spärlich, dass ein einziges Rind eine Weidefläche von 30 Hektar benötigt.
Zu Beginn der 1980er-Jahre verloren die Himba durch eine verheerende Dürre fast ihren gesamten Viehbestand. Die unergiebigen Regenzeiten der 1990er-Jahre zwangen viele Farmer am Ostrand der Namib zum Verkauf ihrer Tiere. Die wenigen Siedlungen, die sich in der Namib befinden, liegen entweder am Ostrand oder an der Küste; die Innere Namib ist unbewohnt.

Die klimatische Gliederung in Küstenamib, Innerer Namib und Vornamib folgt dem Nord-Süd-Verlauf der Küstenlinie. Die Namib lässt sich aber auch geomorphologisch klar gliedern. Nördlich des Kuiseb-Trockenflusses dominieren ebene Kies- und Steinwüsten, die lediglich von den Flussbetten der großen Trockenflüsse Hoanib, Hoarusib und Ugab durchfurcht sind. Südlich des Kuiseb-Trockenflusses beginnt die Dünennamib, deren oft 300 m hohe Dünen sich bis zum Oranjefluss im Süden erstrecken. Der Kuiseb erreicht zwar nur äußerst selten den Atlantik, doch die episodisch auftretenden Wassermassen dieses Flusses verhindern eine Wanderung der Dünen nach Norden.
Auch die Dünennamib wird von Trockenflüssen durchschnitten, die sich allerdings in den Sandmassen verlieren und dabei topfebene Lehmpfannen bilden, die so genannten Vleis. Am weitesten reicht der Tsauchab-Trockenfluss in das Dünenmeer hinein. Jahrhundertealte Kameldornbäume verraten seinen Lauf durch die Dünen. Nur sehr selten führt er Wasser, noch seltener sind die Wassermassen stark genug, um im Dünengebiet bis zum Sossusvlei zu gelangen.

Die Namib wird oftmals als die älteste Wüste der Erde bezeichnet. Der für die Sahara nachgewiesene Wechsel von Feucht- und Trockenphasen scheint in der Namib kaum stattgefunden zu haben, da hierder Benguelastrom seit zehn Millionen Jahren kontinuierlich für Niederschlagsarmut sorgt. Der Benguelastrom entstand, als im Tertiär Antarktika in eine polnahe Position driftete und der Südatlantik sich weit öffnete. Aufgrund der schon so lange anhaltenden Wüstenbedingungen hat sich die Fauna der Namib außergewöhnlich stark spezialisiert. Die Existenz der Welwitschia in heute extrem trockener Wüstenumgebung weist allerdings darauf hin, dass es auch in der Namib schwach ausgeprägte Feuchtphasen gegeben haben muss. Sonst hätte sich diese Pflanze nicht entwickeln können.

Im Süden der Namib finden sich die größten und reinsten Diamanten der Erde, die bis heute eine wichtige Stütze der namibischen Volkswirtschaft darstellen. Die Entdeckung dieser Edelsteinvorkommen ist dem deutschen Bahnbeamten August Stauch zu verdanken, der im April 1908 den Wert eines unscheinbaren glitzernden Steins erkannte, der an der klebrigen Schaufel eines Eisenbahnarbeiters haften geblieben war. Noch bevor das Jahr zu Ende ging, hatten Stauchs Arbeiter, mit Marmeladengläsern als Sammelgefäßen und auf Knien robbend, 39.000 Karat Rohdiamanten aus dem Sand aufgelesen und ihn zum Millionär gemacht.
In Kolmanskop, östlich von Lüderitz gelegen, entstand eine Diamantensiedlung mit Postamt, Schwimmbad, Schlachterei und Schule. Vor dem Ersten Weltkrieg haben hier mehrere deutsche Bergbaugesellschaften ein Fünftel der Weltproduktion an Diamanten gefördert. In den 1920er-Jahren verlagerte sich die Diamantensuche an den Südrand der Namib, wo in einem hermetisch abgeriegelten 322 km x 96 km großen »Sperrgebiet« immer noch jährlich 200 kg Rohdiamanten gefördert werden. Kolmanskop ist heute eine Geisterstadt.