Die mittelasiatischen Wüsten liegen in einem gewaltigen Becken, das entstanden ist, als die vor 60 Millionen Jahren aufgefaltete Gebirgskette von Himalaja, Tienshan und Pamir das vorhandene Meer eingeschlossen und in ein Binnenseebecken verwandelt hat. In den nächsten 25 Millionen Jahren setzte sich das Zusammenwachsen Indiens und Asiens fort, und dabei wurde das Becken von der Landmasse Indiens wie ein Keil gehoben und nach Westen in das heutige Schwarze Meer und Mittelmeer entleert. In Mittelasien blieben nur wenige Reste des Binnenmeeres übrig, unter ihnen das Kaspische Meer und der Aralsee.
Die ozeanferne Lage dieses gewaltigen Beckens hat geringen Niederschlag zur Folge, so dass sich zwischen dem Kaspischen Meer im Westen und dem Altai im Osten Wüsten, Halbwüsten und Steppen ausbreiten. Ihnen ist gemeinsam, dass sie größtenteils mit Sand bedeckt sind und eine mehr oder minder dichte Vegetation aufweisen. Hohe Dünen wird man hier vergeblich suchen, es handelt sich vielmehr um gewellte Sanddecken, die man mit den toten Dünen der (spart eine Zeile!)Sahelzone vergleichen kann. Der bekannteste Strauch der mittelasiatischen Trockenregionen ist der Saxaul. Er kann zu einem Baum von mehreren Metern Größe heranwachsen, bietet dem Kamel Futter und liefert den Menschen Brennholz.
Russische Geographen teilen die mittelasiatischen Trockenregionen aus klimatischen Gründen in einen Nord- und einen Südtyp auf. Zum Nordtyp rechnen sie das im Süden Kasachstans gelegene Ustjurt-Plateau, die Bet-Pak-Dala-Steppe (Hungersteppe), die Myjumkum-Halbwüste und die südlich des Balkasch-Sees gelegene Sandzone Sary-Ischikotrau. Die geringen Niederschläge verteilen sich hier über das ganze Jahr; die Sommer sind heiß, die Winter sehr kalt, das Jahresmittel der Temperatur liegt unter 10º C. Liegt das langjährige Mittel des jährlichen Niederschlags zwischen 200 und 300 mm, herrscht Grassteppe vor; liegt der jährliche Niederschlag unter diesem Wert, geht die Steppe in Halbwüste über. Da Werte von 150 mm pro Jahr nirgendwo unterschritten werden, fehlen »echte« Wüsten.
Dem Südtyp der mittelasiatischen Trockenregionen sind die Karakumwüste, die Kysilkumwüste und die Golodnaya-Steppe zuzurechnen. Hier fallen die Niederschläge meist im Winter und Frühjahr, die Sommer sind trocken und sehr heiß, die Winter nicht sehr kalt. Das Jahresmittel der Temperatur liegt mit 13º bis 18º C deutlich höher als beim Nordtyp. Auch hier erreicht die Trockenheit nirgendwo Werte wie in der Sahara, so dass die Dünen von Karakum und Kysilkum mit Gräsern und Büschen bewachsen sind.
Die Kysilkumwüste liegt zwischen den Flüssen Amur-Darya und Syr-Darya im heutigen Usbekistan und ist mit 200.000 km² deutlich kleiner als die Karakum. Ihr Landschaftsbild ist hingegen abwechslungsreicher, da manche Gebirgsgegenden früher einmal Inseln im mittelasiatischen Binnenmeer waren. Auf diversen Plateaus der Vorberge ist Sand mit Schotter vermischt, und in den Ebenen findet sich der rote Sand, dem die Kysilkumwüste ihren Namen verdankt, denn kysil bedeutet »rot«, Kum »Sand«.
Die Karakumwüste liegt westlich des Amur-Darya in Turkmenistan und breitet sich auf einer Fläche von 490.000 km² bis zum südlichen Kaspischen Meer aus. Weiteste Teile der Karakumwüste sind von Sand bedeckt,. Dieser Sand ist allerdings keineswegs schwarz, wie der Name der Wüste (»Schwarzer Sand«) es suggeriert.
Der Amur-Darya und seine Seitenarme waren für die Menschen in der Karakum- und Kysilkumwüste immer schon von fundamentaler Bedeutung. In der Geschichtsschreibung des Altertums wird er unter dem Namen Arax oder Oxus als Strom von gigantischen Ausmaßen geschildert. Aus dem Hindukusch kommend, speiste der Amur-Darya entlang seines Laufs früher 20.000 Brunnen und mündet in den Aralsee, der einst der viertgrößte See der Erde war. Im Jahre 1960 besaß der See noch eine Ausdehnung von 70.000 km², und die Fischerei beschäftigte 60.000 Menschen. Zu Zeiten der Sowjetunion wurde mit dem Anbau von Baumwolle begonnen und das Flusswasser für die Bewässerung der Baumwollfelder verwandt. Die Folgen für den Aralsee waren katastrophal: Von 1960 bis 1990 verringerte sich die Wasserfläche um über 50 Prozent, und der Salzgehalt stieg um das Sechsfache. Heute beträgt das Wasservolumen nur noch ein Fünftel des ursprünglichen. Die Fischerei ist zum Erliegen gekommen, und auf den einstigen Inseln des Aralsees gelagerte Chemieabfälle verpesten Luft, Wasser und Boden. Die Menschen in der usbekischen Provinz Karaklapakistan haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 40 Jahren; darüber hinaus sind die hohe Säuglingssterblichkeit und Missbildungsrate Ausdruck der ökologischen Katastrophe.
Die Geographie der Wüsten | |
Leben in der Wüste | |
Die Wüsten Asiens | |
Die Wüsten Australiens | |
Die Wüsten Amerikas | |
Die Wüsten Afrikas | |