Die Wüsten Afrikas

Danakil-Somalia


Die Wüsten und Halbwüsten im Nordosten Afrikas stellen Geographen vor erhebliche Abgrenzungs- und Bezeichnungsprobleme. Wüste, Halbwüste und Dornbuschsavanne greifen hier auf engem Raum ineinander über, und es fehlt ein einheitlicher Name. Die in meinem Buch »Die Wüsten Afrikas« verwendete Bezeichnung »Wüsten des Rift Valley« lässt außer Acht, dass die Wüstengebiete auf der Somali-Halbinsel nicht zum Rift-Valley gehören. Der von Théodore Monod trotz erheblicher Zweifel gewählte Begriff »Danakil-Somalia« berücksichtigt wiederum die Wüstenregionen Nordkenias nicht. Eigene ausgedehnte Reisen nach Nordkenia, Somalia und inzwischen auch in die Danakilsenke haben zu meinem Entschluss geführt, mich Monods Namensvorschlag anzuschließen, denn die Danakil ist nicht nur die größte, sondern auch in jeder Hinsicht extremste Wüste im Nordosten Afrikas.

Die Trockenheit der Wüsten im Nordosten Afrikas hat zwei Ursachen. Erstens stehen diese Gebiete unter dem Einfluss des Nordostpassats. Dieser führt von der Arabischen Halbinsel heiße und trockene Luftmassen heran, welche die feuchte Äquatorialluft verdrängen. Zweitens hat das ausgeprägte Relief des Rift Valley eine starke Differenzierung der Niederschlagsmengen zur Folge, so dass die Niederschlagswerte in Lee-Lagen um ein vielfaches geringer als in Luv-Lagen sind. So liegt die hyperaride Danakilsenke im Lee des Abbessinischen Hochlands.

Die Danakil-Somalia setzt sich aus drei Wüstenregionen zusammen: Die erste ist die Region zwischen dem Turkanasee und der kenianischen Provinzhauptstadt Marsabit, deren Nordteil unter dem lokalen Namen Chalbiwüste bekannt ist. Sie wird bei Marsabit von einem Vulkanmassiv überragt, das von dichtem Bergnebelwald überzogen ist. Bevor sie durch Wilderer ausgerottet wurden, lebten hier Elefanten mit außergewöhnlich großen Stoßzähnen. Südlich der Chalbiwüste liegt die Kaisut-Wüste, wie die Chalbi typisches Nomadenland.
Zwischen der äthiopischen Grenze und Marsabit siedeln 70.000 Boran, zwischen Marsabit und dem Ostufer des Turkanasees 30.000 Gabbra, weiter südlich leben die Samburu und die ihnen kulturell ähnlichen Rendille. Westlich des Turkanasees liegt das Land der Turkana, die auf ihren Kriegszügen bis heute in die angrenzenden Gebiete der Pokot und Samburu vordringen.
Den Gegebenheiten des Naturraums entsprechend, züchten Samburu, Pokot, Turkana und Boran Rinder, Rendille und Gabbra Kamele. Wegen der Verschlechterung der natürlichen Ressourcen nehmen die Rinderzüchter neuerdings auch Kamele in ihre Herden auf. Viehraub ist nach wie vor üblich.

Die Wüstengebiete der Somali-Halbinsel, die ebenfalls zu Danakil-Somalia gehören, sind wegen der seit Jahren am Horn von Afrika instabilen Lage kaum erforscht. Die Halbinsel fällt von mittleren Höhenlagen zum Indischen Ozean ab und steigt am nördlichen Rand stellenweise auf bis über 2.000 m auf. Davor erstreckt sich am Golf von Aden eine Küstenwüste. Die Somali-Halbinsel hat ihren Namen von dem mehrere Millionen Menschen umfassenden Volk der Somali, das sich zum Islam bekennt und ein starkes ethnisch-kulturelles Zusammengehörigkeitsgefühl besitzt, was trotzdem nicht verhindern kann, dass sich verschiedene Clans unerbittlich bekämpfen.

Bei der dritten Wüstenregion von Danakil-Somalia handelt es sich um das Afardreieck. Es hat eine Fläche von 150.000 km². Begrenzt wird es im Westen durch den Steilhang der Abessinischen Hochebene, im Osten durch das Rote Meer und im Süden durch eine Linie, die von der Region Awash zur somalischen Küstenstadt Berbera führt. Die nördliche Spitze des Afardreicks liegt bei der eritreischen Hafenstadt Massawa.

Das Afar-Dreieck gehört zu den geologisch aktivsten Regionen der Erde.
Der Vulkan Erta Ale mit seinem See schmelzender Lava ist ein sichtbarer Beweis, dass hier heißes Gesteinsmaterial aufdringt. Ein »Plume« – ein mächtiger Aufstrom von Schmelze aus dem Erdinneren – drückt gegen die harte Schale der Erde. Die Gesteinskruste dünnt aus und bricht schließlich auf. Die Risse weiten sich aus und werden zu Gräben, wo dann Vulkane entstehen. Dieser Vorgang vollzieht sich seit Jahrmillionen und dauert bis heute an.
Im Afardreieck ist die Erdkruste über dem »Plume« sternförmig auseinander gebrochen. Hier treffen, was sonst nur auf dem Boden der Weltmeere vorkommt. drei tektonische Platten aufeinander

Im Lauf der letzten 40 Millionen Jahre hat der Druck im Erdinneren drei Gräben geöffnet, die von der Danakilsenke im Afardreieck aus in 120º-Winkeln auseinander laufen. Zwei davon, der Graben des Roten Meeres und der im Golf von Aden, sind heute mit Meerwasser gefüllt. Sie trennen die arabische von der afrikanischen Platte. Die Dehnungsbewegung ist immer noch im Gang. Wie Satellitenmessungen ergeben haben, entfernen sich Afrika und Arabien jedes Jahr um anderthalb bis zwei Zentimeter. Weniger aktiv ist der dritte und jüngste Riss, das Rift Valley, der ostafrikanische Grabenbruch. Er weitet sich pro Jahr um ungefähr sechs Millimeter und zieht sich vom Afardreieck aus tausende Kilometer weit nach Süden durch die Savannen Ostafrikas bis nach Mosambik, wo er im Indischen Ozean verschwindet. In vielen Millionen Jahren könnte das Meer auch in den ostafrikanischen Graben eindringen. Vielleicht entsteht dann ein neuer Ozean, der dann den afrikanischen Kontinent spaltet.

Dort Vulkan Erta Ale, in der Sprache der Afar »rauchender Berg«, besitzt zwei so genannte Pitkrater, einer von beiden mit einem weltweit einzigartigen Lavasee. Die Oberfläche des Lavasees wird von einer schwarzen, metallisch glänzenden Haut bedeckt, die von rot glühenden Rissen durchzogen ist. Im Abstand weniger Minuten schießen bis zu 15 m hohe Lavafontänen heraus. Nach ein bis zwei Minuten fällt die Fontäne in sich zusammen und zieht sich in einem Strudel tief in die Schmelze zurück, wobei sie große Teile der Haut mit sich reißt.

75 km weiter nördlich liegt 120 m u. NN das Dallol. Heiße sprudelnde Quellen spülen Salz aus dem Boden heraus, lagern es ab und erzeugen dabei eine intensiv gefärbte, surreale Welt. Rings um die Wasseraustritte wachsen wuchtige, blendend weiße Kamine, zum Teil mehrere Meter hoch. Sie sind umgeben von hellgelben Krusten, älteren Ablagerungen, in deren Vertiefungen sich grellgrünes, klares Wasser sammelt. Jede Quelle sprudelt nur ein paar Wochen lang. Die alten Salzablagerungen trocknen aus, verbleichen oder werden zu einer rostbraunen Kruste. Man weiß nicht genau, woher das Salz hier am tiefsten Punkt der Danakilsenke stammt. Vermutlich ist das Rote Meer vor Jahrmillionen ins Afardreieck vorgestoßen und in der Hitze verdampft. Das Salz blieb zurück. Die Salzschicht am Dallol soll mehr als 1.000 m dick sein.

Die Danakil-Wüste ist Lebensraum für ungefähr 100.000 Afar-Nomaden, die in Veröffentlichungen als »wild und grausam« beschrieben werden. Zu diesem Vorurteil hat sicher beigetragen, dass die Afar einst ihren Feinden die Genitalien abschnitten und sich diese Trophäen um den Hals hängten. Während des 30-jährigen Befreiungskrieges Eritreas bildeten die Afar eine eigene Widerstandsgruppierung, die »Afar Liberation Front« unter der Führung des Sultans Ali Mirah. Nach dem Sturz des Mengistu-Regimes in Äthiopien sind Teile der Befreiungsfront militärisch aktiv geblieben. Bis heute machen sie Reisen in die Danakilsenke zu einem gefährlichen Unternehmen.